IQNA

Deutscher Lehrer wegen Kritik an Holocaust entlassen

13:07 - January 22, 2019
Nachrichten-ID: 3000706
Das Berliner Arbeitsgericht hat fristlose Kündigung des Berliner Grundschullehrers Nikolai N. für rechtens erklärt. Der Pädagoge hatte über seinen Youtube-Kanal antisemitische Videos und Verschwörungstheorien verbreitet.

Das Arbeitsgericht in Berlin hat die Klage des Berliner Grundschullehrers Nikolai N. gegen dessen fristlose Kündigung abgewiesen. Nach Überzeugung des Arbeitsgerichts sei die Suspendierung rechtens, weil der Lehrer den Staat in seinen Videos in unangemessener Weise angegriffen, verunglimpft und verächtlich gemacht habe.

Der 38-Jährige betreibt einen Youtube-Kanal und interviewte dort unter anderem Holocaustleugner. N. habe in unangemessener Weise Verfassungsorgane der Bundesrepublik Deutschland verächtlich gemacht, sie angegriffen und verunglimpft, urteilte die 60. Kammer des Berliner Arbeitsgerichts am Mittwoch. Der angestellte Grundschullehrer sei darum dauerhaft nicht für den Schuldienst geeignet.

Zwar sei der angestellte Lehrer nicht wie ein Beamter in besonderer Weise der freiheitlich demokratischen Grundordnung verpflichtet, seine Äußerungen im Internet seien aber trotzdem nicht von der Meiungsfreiheit gedeckt. Es sei nicht tolerabel, dass beispielsweise in den Videos des im öffentlichen Dienst beschäftigten Pädagogen über Opferzahlen des dritten Reiches spekuliert werde und rechtskräftig verurteilte Volksverhetzer Deutschland als "Nicht-Rechtsstaat" verunglimpfen düften, so der Vorsitzende Richter Arne Boyer.

 

Der Pädagoge war acht Jahre lang als angestellter Grundschullehrer zuletzt im Wedding beschäftigt. Er unterrichtete Englisch, Sport und Musik. Im Januar 2018 war der Lehrer dann von der Bildungsverwaltung freigestellt worden, nachdem durch Presseberichte bekannt wurde, dass er auf seinem Youtube-Kanal "Der Volkslehrer" unter anderem gegen Politiker hetzte, Verschwörungstheorien verbreitete und den Holocaust infrage stellte.

Bereits auf dem Kirchentag 2017 in Berlin soll er bei einer Gedenkveranstaltung für ertrunkene Flüchtlinge gestört und im Herbst 2017 bei einer Podiumsdiskussion die Initiatorin des Berliner Holocaust-Mahnmals, Lea Rosh, beschimpft haben. Im Frühjahr 2018 trug der Lehrer dann bei der Aktion "Berlin trägt Kippa" eine selbstgebastelte Kippa in den Farben des deutschen Kaiserreichs und der Nazis. Journalisten berichteten dann über die Vorfälle und im April schickte die Senatsverwaltung für Bildung dem Weddinger Grundschullehrer die außerordentliche und fristlose Kündigung.

Wie die Bildungsverwaltung später mitteilte, war N. bereits zuvor, und zwar im Jahr 2015, wegen seiner Verschwörungstheorien aufgefallen. Diese hätten damals aber keine antisemitischen Inhalte gehabt. Dass der Grundschullehrer in seiner Freizeit öffentlich den Holocaust relativiert, sei der Senatsverwaltung erst durch Medienberichte Anfang des Jahres bekanntgeworden, hieß es auf eine parlamentarische Anfrage. Zudem sei N. nach einem Schulwechsel an seiner Arbeitsstätte unauffällig gewesen.

Bereits Mitte 2018 begann das Arbeitsgericht, den Fall der fristlosen Kündigung des Lehres zu verhandeln. Vorschriftsgemäß hatte der Vorsitzende Richter dabei den gegen seine Kündigung klagenden Lehrer und die Bildungsverwaltung ins Gericht zitiert, um über eine mögliche gütliche Enigung zu verhandeln. Dabei hatte die Senatsverwaltung solch eine Einigung aber abgelehnt und dabei unter anderem argumentiert, dass Strafverfahren wegen Volksverhetzung gegen den Lehrer liefen, den man darum nicht im öffentlichen Dienst beschäftigen könne. Der gekündigte Grundschullehrer hingegen sah die Äußerungen auf seinem Youtube-Kanal von der Meinungsfreiheit gedeckt.

Während zur Güteverhandlung vor dem Arbeitsgericht im Juni 2018 der Saal noch von Sympathisanten des Lehrers gut gefüllt war, erschienen jetzt zur Verhandlung in der Sache nur rund 40 Zuschauer. Der Vorsitzende Richter Arne Boyer versuchte sowohl die Bildungsverwaltung, als auch den gekündigten Lehrer zu einem Vergleich zu bewegen: Als Möglichkeit stellte der Richter in den Raum, dass die Bildungsverwaltung die fristlose in eine ordentliche Kündigung zu Ende 2018 umwandeln könne und nach acht Arbeitsjahren eine Abfindung von ca. 20.000 Euro dem Lehrer zahlen könnte. Mit der Anerkenntnis des Vergleichs wäre dann der Rechtsstreit beendet gewesen. "Man kann einen Fall, bei dem es um Grundsätzliches geht, nicht unbedingt grundsätzlich führen", so der Richter wörtlich. Doch die Senatsverwaltung wollte keinem Vergleich zustimmen.

Nach kurzer Beratungszeit mit den beiden Schöffen (eine Arbeitnehmerin, eine Arbeitgeberin) fiel das Urteil für Beobachter überraschend klar aus: Die Klage des Lehrers gegen seine fristlose Kündigung wird abgewiesen. Das Gericht bezieht sich in seiner Begründung auf "eine besondere Verantwortung aus der deutschen Geschichte": Aus diesem Grunde sei es unangemessen, über die Zahl der ermordeten Juden im Holocaust zu spekulieren. In den "heutigen Zeiten" müsse man sich, anders als noch vor zehn Jahren, "hart aufstellen", so der Vorsitzende Richter. Deutschland habe sich gewandelt, eine kleine Minderheit würde größer werden. Diesem Druck müsse man standhalten und sich darauf einrichten, dem entschlossen entgegenzutreten.

 

https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2019/01/arbeitsgericht-berlin-lehrer-kuendigung-verhandlung.html

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