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Die Geschichte des ersten erklingenden Gebetsrufes in Deutschland

20:38 - November 12, 2018
Nachrichten-ID: 3000377
In Düren ertönt seit 34 Jahren drei Mal täglich der Gebetsruf vom Minarett. Das macht die Moschee zu etwas Besonderem und bedeutend für die Debatte über Minarette und Gebetsrufe in Deutschland. Feyza Akdemir erzählt die Geschichte der Moschee, die zum ersten Mal in Deutschland den Gebetsruf hörbar ertönen ließ.

Eine Moschee in dem Bundesland, in dem die meisten Muslime leben: Nordrhein-Westfalen. Die Düren Fatih Moschee. Eine alte Metallfabrik vom Beginn des 20. Jahrhunderts wurde zum Gebetshaus umfunktioniert. Es handelt sich um ein großes Gebäude mit hohen Decken und alten Bodenkaros. Das denkmalgeschützte Hauptgebäude umfasst einen 12.000 m2 großen Servicebereich. Die Moschee hat einen eigenen Jugendverein, einen Parkplatz, eine Industrieküche, ein Unterhaltungslokal und einen Gemischtwarenladen. Zum wöchentlichen Freitagsgebet beherbergt die Moschee 500 und zum Festtagsgebet 2000 Muslime in diesen Räumlichkeiten.

Was die Moschee, die seit 1974 existiert, aber besonders auszeichnet ist das hohe Minarett, von dem seit 34 Jahren drei Mal täglich der Gebetsruf ertönt. Die Moschee ist nur 500 Meter vom Stadtzentrum entfernt, sodass der Gebetsruf von vielen Bewohnern vernommen werden kann. Die Düren Fatih Moschee ist seit 1984 die erste Moschee, die über einen Lautsprecher den Gebetsruf nach draußen erschallen lassen darf.


Der Gebetsruf ertönt das erste Mal

Initiiert wurde dies vom damaligen Vorsitzenden der Moscheegemeinde, Ahmet Kurt. Nachdem er in der türkischsprachigen Zeitung Tercüman einen Artikel darüber las, dass in einer neuerbauten Moschee in Wien von nun an freitags der Gebetsruf nach draußen ertönen wird, entschied er sich dies auch für seine eigene Moschee zu beantragen. Er kontaktierte sämtliche Ortsämter und erhielt nach etwa einem Monat eine Antwort von dem Gewerbeaufsichtsamt. Diese teilte ihm mit, dass es der Moschee gestattet sei ohne zusätzliche Genehmigungen den Gebetsruf in einem Wirkungsradius von 1.500 Metern ertönen zu lassen.

Entsprechende Vorbereitungen wurden dann von der Gemeinde in die Wege geleitet, obwohl zu diesem Zeitpunkt das Minarett noch nicht fertig gebaut war. Lautsprecher wurden angebracht. Und der erste Gebetsruf ertönte von der Fatih-Moschee in das Stadtzentrum Dürens. Für die Moscheegemeinde war dies ein historischer und bewegender Moment. Der Gebetsruf sollte fortan drei mal täglich, zum Mittags-, Nachmittags-, und Abendgebet ertönen. Das Morgen- und das Nachtgebet ließ die Gemeinde bewusst aus, um die Nachbarschaft nicht zu später und früher Stunde zu stören.


Widerstand und Prozess

Dennoch kam es zu Konflikten, die einen gerichtlichen Prozess zur Folge hatten. Der Anwalt, der die Moscheegemeinde vertrat, teilte ihr mit, dass es ein langjähriger Prozess werde und sie Geduld aufbringen müsse. Der Prozess dauerte vier Jahre. In dieser Zeit wurde aber weiterhin über die Lautsprecher in der Stadt hörbar zum Gebet gerufen. Schließlich entschied das Gericht 1989 zugunsten der Düren Fatih Moschee. Die Gemeinde erhielt sogar die Erlaubnis den Gebetsruf fünf mal täglich über die Lautsprecher ertönen zu lassen. Der damalige Vorstand entschied jedoch, es bei drei Gebetsrufen am Tag zu belassen. Bis heute hält die Gemeinde an dieser Regelung fest.

„Wir wollten nur zeigen, wie wir Muslime zum Gebet zur Moschee gerufen werden“, erklärt Ahmet Kurt. Der gesamte Moscheekauf und Umbau sei mit vielen Hürden, wie bürokratischen Hindernissen und finanziellen Engpässen verbunden gewesen, erzählt er weiter. Er kritisiert, dass viele Moscheegemeinden gar nicht erst den Versuch unternehmen, ebenfalls den Gebetsruf aus ihren Moscheen ertönen zu lassen. “Heute unterscheiben sie noch vor dem Bau der Moschee, dass sie kein Minarett bauen und den Gebetsruf nicht erschallen lassen“, so Kurt kritisch. Dies betrübe ihn. “Wir sind gleichberechtigte Bürger dieses Landes. Solch eine Einschränkung als Voraussetzung für den Bau zu akzeptieren ist falsch.“ Kurt empfiehlt den Gemeinden stattdessen von Beginn an gute Beziehungen zu den örtlichen Ämtern und den Nachbarn zu pflegen, den Kontakt zu suchen, aber auch seine Rechte zu kennen und zur Not auch durchzusetzen. Der Gebetsruf sei dann auch kein Problem.

Vorbild für andere Moscheen

Hasan Ozan, der als Sekretär in der Moschee tätig und Zeuge war, als der erste Gebetsruf ertönte, berichtet ebenfalls wie bewegend dieser Augenblick gewesen sei. Die Gemeinde versammelte sich an diesem Tag im Garten, um gemeinsam dem ersten Gebetsruf der Moschee zu lauschen. Anfangs habe es vereinzelt Beschwerden von Einwohnern gegeben. Diese ließen aber sehr schnell nach. Die Gemeinde erhielt aber auch viel positive Resonanz.

Vor allem andere Moscheen aus ganz Deutschland zeigten großes Interesse und erkundigten sich bei der Gemeinde. „Als wir das erste Mal begannen den Gebetsruf nach außen zu leiten, erhielten wir aus ganz Deutschland von fast 150 Moscheen Briefe mit der Anfrage, wie wir an die Genehmigung gelangten. Wir schickten zwar allen Gemeinden eine Kopie der Genehmigung. Aber das Prozedere das wir durchliefen kann nicht von jeder Moschee eins zu eins übernommen warden. Denn die Entscheidung liegt im Ermessen der einzelnen Städte”, so Ozan. Entscheidend sei vor allem die Lage der Moschee. Moscheen, die sich im Industriegebiet befinden, hätten in der Regel bessere Chancen eine solche Genehmigung zu erhalten, als Moscheen im Stadtgebiet oder in Wohnvierteln, erklärt Ozan. Unmöglich sei es aber auch hier nicht. “Muslime heute sind nicht mehr dieselben wie in den 80er Jahren. Die Jugend hat sich weiter entwickelt, sie beherrscht die Sprache und kennt das Gesetz. Wenn wir damals mit unseren geringen Deutschkenntnissen soviel erringen konnten, müsste es für die Gemeinden heute viel einfacher sein.”


Der Gebetsruf gehört heute zu Düren

„Dreh- und Angelpunkt ist, dass Muslime mit örtlichen Akteuren im Kontakt stehen“, meint auch Necdet Cebeci, der seit acht Jahren Vorsitzender der Dürener Fatih Moschee ist. Die Moschee arbeite seit 30 Jahren eng mit der Stadt zusammen. Durch gegenseitiges Kennenlernen und gemeinsame Programme wurden Vorurteile und Hindernisse aus dem Weg geräumt. Inzwischen stehen der denkmalgeschützten Moschee für die Renovierung Fördergelder in Aussicht. An der Straße zur Moschee wurden Ampeln angebracht und die Stadtverwaltung hat die Außenbeleuchtung der Moschee organisiert.

Der Gebetsruf sei inzwischen nicht nur für die Moscheegemeinde, sondern für die ganze Stadt Düren bedeutsam. In Düren gibt es mittlerweile so viele Bürger, die von Geburt an den Gebetsruf hören. Dies hätte schon Tradition in der Stadt. Das spiegle sich auch in den positiven Medienberichten wieder. Beschwerden gäbe es nur ganz selten. All dies sei für eine kleine Stadt, in der religiöser und kultureller Pluralismus gelebt werde, ein bedeutender Schritt.

 

http://www.islamiq.de/2018/11/07/die-geschichte-des-ersten-erklingenden-gebetsrufes-in-deutschland/

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