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Ferda Atman kritisiert die Deutsche Islamkonferenz

8:38 - December 04, 2018
Nachrichten-ID: 3000466
Die Deutsche Islamkonferenz soll offen sein für alle Muslime. Die Frage ist nur: Wer ist gemeint? Die Statistik zählt selbst Leute dazu, die nicht gläubig sind. So kann man die Islamisierung natürlich auch vorantreiben. Eine Kolumne von Ferda Ataman

Ferda Atman kritisiert die Deutsche Islamkonferen:

 

Bei der Islamkonferenz gab es wieder mal Schweinefleisch. Mit einem Büfett, bei dem auch Blutwurst serviert wurde, ließ das Innenministerium die Veranstaltung am Mittwoch gemütlich ausklingen. Vielleicht ein Vorgeschmack auf den "deutschen Islam", den sich Horst Seehofer wünscht: so wenig muslimisch wie möglich.

Es war vermutlich gut gemeint. Denn Islamnixdeutsch, der neue Häuptling der Islamkonferenz, will mit den Muslimen die Friedenspfeife rauchen. Das hat er deutlich gezeigt. Seehofer will es sogar besser machen als seine Vorgänger im Amt: Bislang stand im Mittelpunkt der Konferenz die Zusammenarbeit von Beamten und Moscheebetreibern, doch ab jetzt soll sie "ein breites Spektrum von Muslimen" ansprechen. Die Islamkonferenz soll ein Innovationscamp werden, mit Hate-Poetry-Slams zwischen Islamkritikern und Moscheevertretern.

Mit der Reform reagierte Seehofer auf zentrale Fragen: Wen vertreten die ultrakonservativen Moscheeverbände von den 4,5 Millionen Muslimen in Deutschland eigentlich? Und wer darf bei der Islamkonferenz für sie reden? Die Fragen sind so alt wie die Konferenz selbst. Immer wieder gab es Hickhack um die Teilnahme.

Ich fand diese Debatte schon immer schwierig. Denn damit wurde der Eindruck erweckt,

die viereinhalb Millionen Muslime in Deutschland gäbe es WIRKLICH und
die viereinhalb Millionen Muslime legten ALLE Wert auf islamischen Religionsunterricht, religionssensible Altenpflege und was man sonst noch so braucht, wenn man strenggläubig ist.

Beides ist Quatsch.

Wer ist Muslim und wenn ja, wie viele?

Wir wissen gar nicht, wie viele Muslime in Deutschland leben. Wir erfassen in Deutschland die Religionszugehörigkeit nicht systematisch, aus gutem Grund. Wirklich sicher ist nur die Zahl der Kirchensteuerzahler.

Da wir aber islambesessen sind und ständig über "die Muslime" reden, brauchen wir auch eine Zahl. Also hat die Deutsche Islamkonferenz vor vielen Jahren eine Studie in Auftrag gegeben. Das Ergebnis ist eine Schätzung, die auf einer Umfrage und Hochrechnung beruht, wonach es vermutlich 4,4 bis 4,7 Millionen Muslime sind. Stand: Ende 2015. Das sind hochgerundet sechs Prozent der Bevölkerung.

Zu diesen Muslimen in Deutschland werden auch Leute wie ich gezählt. Ich gehöre in die Kategorie "nicht gläubige Muslime". Sie haben richtig gehört: nicht gläubige Muslime. Außerdem gehören zu den knapp fünf Millionen auch nicht praktizierende und unkonventionell praktizierende Muslime, was vermutlich heißt, dass ihr Gott bei Alkohol, wilder Ehe und Schweinefleisch ein Auge zudrückt.

"Alle Muslime", das sind also auch Leute, die nicht wirklich muslimisch sind. Wir verwenden die Zuschreibung als kulturelles Stigma, aus dem man nicht rauskommt. Muslim bleibt Muslim. Egal ob gläubig oder nicht.

Seid ihr verrückt?

Es gäbe übrigens eine Zahl, die näher an der Realität dran ist. 2011 gab es die letzte große Volksbefragung, den Zensus. Da wurde nach Religionszugehörigkeit gefragt. Aber als das Ergebnis 2013 rauskam, war der Islam-Anteil schockierend niedrig: nur 1,9 Prozent der Bevölkerung gaben an, dass sie Muslime seien. Völlig inakzeptabel. Also erklärte der damalige Präsident des Statistischen Bundesamts":

"Beim Zensus 2011 haben sich relativ wenige Menschen zu einer der Weltreligionen Judentum, Islam, Buddhismus und Hinduismus bekannt. [...] Es ist jedoch davon auszugehen, dass gerade die Anhänger dieser Religionen überproportional häufig von der Möglichkeit Gebrauch gemacht haben, auf die Beantwortung der Frage zur Religionszugehörigkeit zu verzichten."

Also: Die Anhänger der Religionen haben verweigert, ihre Zugehörigkeit anzugeben. Ich sehe dafür zwei Möglichkeiten: Entweder legen sie keinen Wert darauf, als Juden, Buddhisten, Hindus oder Muslime gezählt zu werden. Oder sie sind nicht gläubig. Warum ist es keine Option, das zu akzeptieren? Warum muss man Menschen statistisch und diskursiv islamisieren? Was, wenn viele, wie ich, keinen Bock darauf haben?

Für "Islamexpertin" reicht ein türkischer Name

Mich interessieren die Themen der Islamkonferenz nicht. Ich will da auch nicht vertreten werden. Es ist schließlich eine ISLAM-Konferenz. Meinetwegen soll sich der Staat ruhig mit den konservativen Verbänden austauschen, das kann nicht schaden - genauso wie "mit Rechten reden". Natürlich muss er auch liberale Muslime einbinden. Und er soll Strukturen für praktizierende Muslime im Alltag schaffen. Aber mich soll er da raushalten. Ich will nicht integriert werden in einen staatlichen Dialog über den adäquaten "deutschen Islam".

Seit ich denken kann, klebt das Islam-Label auf mir. Seit ich diese Kolumne schreibe, ist es noch schlimmer geworden: Neuerdings erklären mich durchgeknallte Verschwörungstheoretiker in den Gedärmen des Internets zur Agentin der Muslimbrüder oder anderer Islamisten. Wohlmeinendere wollen mich für ihre Veranstaltung als Islamexpertin buchen. Ein türkischer Name und eine Äußerung, in der "Islam" vorkommt, reichen für beide Seiten aus.

Und als wäre der Islam-Sticker nicht schon klebrig genug, will jetzt auch noch eine "Initiative Säkularer Islam" mit dem Staat verhandeln. Ich verstehe schon: Ein "islamkritisches" Kollektiv will sagen, dass es auch einen guten Islam gibt, der - wallahnichtallesindsoschlimm - total weltlich ist und gegen die Konservativen. Quasi: die Seehofer-Muslime.

Aber wer sagt endlich mal, dass es auch Leute gibt, die für Muslime gehalten werden, aber gar keine sind. Die muslimisierten Nichtmuslime, die nichts gegen den Islam und Religionen per se haben. Die mit Religionsfragen in Ruhe gelassen werden wollen.

Übrigens soll auf der Islamkonferenz künftig "das Zusammenleben von Muslimen und Nicht-Muslimen" verhandelt werden. Damit ändern sich die Inhalte komplett. Dann könnte man doch auch den Titel ändern. Wie wäre es mit Heimatkonferenz? Da passt die Blutwurst gut hin, und ich würde als Expertin kommen.

 

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