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Verschärfung der Islamophobie: Ursache muslimischen Auswanderung aus Frankreich

9:53 - October 16, 2025
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IQNA- Angesichts eines starken Anstiegs islamfeindlicher Vorfälle im Jahr 2025 im Vergleich zu 2024 verlassen Zehntausende Muslime Frankreich, was die Verpflichtung des Landes zu seinen erklärten Werten in Frage stellt.

IQNA: Zehntausende Muslime verlassen Frankreich, da islamfeindliche Taten Anfang 2025 im Vergleich zu 2024 um 72 % zunahm. (Quelle: 5pillarsuk)

Der Forscher am CAGE Institute Ryan Farshi argumentiert, dass Frankreich, ein Land das stolz auf sein Motto „Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit“ ist, Tausende muslimische Familien dazu zwingt das Land zu verlassen, indem es eine giftige und islamfeindliche Atmosphäre schafft.

Einer aktuellen Studie zufolge haben mindestens 10.000 muslimische Familien im Umfang von 30.000 bis 40.000 Menschen das Land verlassen, weil sie dort auf dem Arbeitsmarkt, Bildungswesen und öffentlichen Leben systematisch diskriminiert werden.

Dieses Phänomen ist nicht bloß eine Statistik! Es ist eine menschliche Tragödie die dringende Fragen über Frankreichs Bekenntnis zu seinen Werten und umfassenderen Auswirkungen auf Minderheitengemeinschaften im Westen aufwirft.

 

Restriktive Gesetze

Die Herausforderungen für Muslime in Frankreich sind vielfältig und wurzeln in einem Netz restriktiver Gesetze und Richtlinien, die ihre religiösen und kulturellen Ansichten ins Visier nehmen. Seit 2004 ist das islamische Kopftuch an öffentlichen Schulen verboten. Muslimische Mädchen müssen sich dadurch zwischen ihrer Ausbildung und ihrer Religion entscheiden. Das Tragen des Niqab (Ganzkörper-Bekleidung) ist in allen öffentlichen Räumen verboten, was die persönliche religiöse Entscheidung faktisch kriminalisiert.

Diese Gesetze, die unter dem Banner der französischen Laizität (Laïcité) erlassen wurden, werden oft als Maßnahmen zum Schutz des nationalen Zusammenhalts gerechtfertigt. Sie drängen Muslime jedoch überproportional in den Hintergrund und suggerieren, dass ihr Glaube und Praktiken nicht mit der französischen Identität vereinbar seien.

Über die pauschalen Beschränkungen hinaus verfolgt die französische Regierung eine Politik der systematischen Obstruktion, die auf die Zerschlagung der muslimischen Zivilgesellschaft abzielt. Seit Februar 2018 wurden mindestens 1.000 islamische Organisationen – von Moscheen bis hin zu Unternehmen wie Restaurants – geschlossen, weitere 30.000 wurden durch unangekündigte Razzien und behördliche Kontrollen schikaniert. Zudem wurden seit 2018 Vermögenswerte der muslimischen Gemeinschaft im Wert von 55 Millionen Euro beschlagnahmt.

Diese aggressive Ausrichtung geht über religiöse Institutionen hinaus und betrifft jedes von Muslimen geführte Unternehmen. Dadurch entsteht ein Umfeld in dem das wirtschaftliche Überleben zu einem täglichen Kampf wird.

Für muslimische Eltern ist die Situation besonders schlimm. Das De-facto-Verbot des Heimunterrichts, der bei vielen muslimischen Familien beliebt ist, nahm denjenigen, die ihre Kinder im Einklang mit ihren Werten erziehen wollen eine wichtige Möglichkeit.

Private islamische Schulen von denen es im ganzen Land nur etwa 90 gibt stellen für die meisten von ihnen keine praktikable Alternative dar, da sie mit anhaltenden Schikanen durch die Regierung oder völligen Schließung konfrontiert sind.

Gleichzeitig gelten an öffentlichen Schulen strenge säkulare Richtlinien: Nicht nur das islamische Kopftuch ist verboten, sondern gar das Gebet. Es gibt Berichte über Lehrer, die sich an das Jugendamt oder die Polizei wenden, wenn sie Kinder beim Beten erwischen. Solche Maßnahmen senden eine beängstigende Botschaft: Muslimische Identität ist im französischen Bildungssystem nicht willkommen.

Diese systematische Ausgrenzung hat schwerwiegende Folgen. Eltern, die ihre Kinder als gläubige Muslime erziehen möchten haben oft das Gefühl sie hätten keine andere Wahl als Frankreich zu verlassen und sich nach Länder um zu schauen in denen Bildungseinrichtungen nicht im Widerspruch zu ihrem Glauben stehen.

 

Massenmigration

Die Ergebnisse der Forscher legen nahe, dass es bei dieser Migration nicht nur um Diskriminierung am Arbeitsplatz geht – obwohl Beschäftigungshindernisse aufgrund offenkundiger religiöser Merkmale wie dem Tragen des islamischen Kopftuches oder eines islamischen Namens gut dokumentiert sind, sondern dass es ihnen auch darum geht ihren Kindern eine Zukunft zu sichern in der sie ohne Angst vor Verfolgung oder Zwangsrekrutierung aufwachsen können.

Die Rhetorik der französischen Regierung wie sie beispielsweise in der Kampagne des ehemaligen Präsidenten Emmanuel Macron gegen den Separatismus zum Ausdruck kommt stellt diese Politik als Verteidigung gegen den Radikalismus dar. Die weit verbreiteten Angriffe auf muslimische Gemeinschaften – darunter die strafrechtliche Verfolgung von Aktivisten, die in pro-Palästina-Reden Begriffe wie „Intifada“ verwenden – spiegeln jedoch eine umfassendere Agenda der kulturellen Auslöschung wider.

Die Schließung von Organisationen, Beschlagnahmung von Vermögenswerten und Schikanierung von Einzelpersonen sind nicht bloße Verwaltungsmaßnahmen! Sie stellen eine Form staatlicher Schikane dar, die die Stimmen der Muslime zum Schweigen bringt und ihre Möglichkeit zur Teilnahme am öffentlichen Leben einschränkt.

Trotz dieser Unterdrückung gibt es einen Funken Widerstandsfähigkeit. Seit 2021 sind neue muslimische Stimmen zu hören, die ihr Existenz- und Meinungsrecht geltend machen. Aktivisten stellen sich weiterhin dem schrumpfenden zivil-gesellschaftlichen Raum entgegen, selbst angesichts von Polizeirazzien und Hausarresten, wie sie bei Veranstaltungen wie den Olympischen Spielen zu beobachten sind.

Dieser Widerstand unterstreicht eine entscheidende Wahrheit: Im Kampf für die Rechte der Muslime in Frankreich geht es nicht nur ums Überleben, sondern darum in einer Gesellschaft die versucht sie aus zu grenzen wieder Handlungsfähigkeit zu erlangen.

Die Situation in Frankreich ist eine Warnung für andere westliche Demokratien. Unter dem Deckmantel der Säkularisierung oder der nationalen Sicherheit zielen politische Maßnahmen und Praktiken gegen Muslime ab, die einen Präzedenzfall für die Aushöhlung der Rechte anderer Minderheiten in anderen Ländern schaffen könnten.

Solidarität wird daher zu einem unverzichtbaren Instrument. Für die Menschen in Frankreich bleibt Aktivismus der praktikabelste Weg nach vorn. Öffentliches Engagement, Verbreitung muslimischer Narrative und Aufbau von Koalitionen gegen systemische Unterdrückung sind unerlässlich. Für Menschen im Ausland ist die Überwindung der Sprachbarriere entscheidend um informiert zu bleiben. Durch Beobachtung der Arbeit von Basisorganisationen kann ein globales Publikum die Risiken besser verstehen und sich für Veränderungen einsetzen.

 

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