IQNA

Deutsche Islamkonferenz

„Ein Islam in, aus und für Deutschland“

23:23 - October 06, 2018
Nachrichten-ID: 3000211
Die Deutsche Islamkonferenz (DIK) soll im November starten. Die Meinungen zu den Themen und Teilnehmern der Konferenz gehen weit auseinander. Der für die DIK zuständige Staatssekretär im Innenministerium, Dr. Markus Kerber, erklärt im IslamiQ-Interview seine Sicht der Dinge.

IslamiQ: Bald beginnt die Deutsche Islamkonferenz (DIK). Was werden die Schwerpunktthemen sein?

Dr. Markus Kerber: Die Deutsche Islamkonferenz hat sich bewährt. Sie bietet den Rahmen für den verbindlichen, verstetigten Dialog mit Muslimen in Deutschland. Dieser Dialog ist spannungsgeladen, ja. Aber zugleich hat er Bindungen entstehen lassen und ein neues Verständnis füreinander geschaffen. Und er hat über die Jahre konkrete, praktisch wirksame Ergebnisse gebracht, z. B. beim Islamunterricht an deutschen Schulen, bei der Lehre islamischer Theologie an Universitäten oder im Bereich muslimischer Wohlfahrtspflege und Seelsorge. Aber: Die Islamkonferenz braucht einen Neustart – und den Startschuss werden wir Ende November in Berlin geben. Auf einer großen öffentlichen Konferenz wollen wir dann die künftigen Themen der DIK gemeinsam erörtern.

IslamiQ: Was kann die DIK tun, damit es keine Vorbehalte gegenüber dem Islam und den Muslimen mehr gibt? Was können Muslime tun?

Kerber: Ich werbe für eine klare Prämisse: Der demokratische Rechtsstaat schafft und erhält den Rechtsrahmen und den Spielraum, in dem Religionen mit ihrem Glauben und ihren Überzeugungen existieren, sich betätigen und entwickeln können. Und in diesem Rahmen, der zugleich Raum der Entfaltung und Freiheit ist, leisten die Religionen wiederum einen zentralen und konstitutiven Beitrag für das friedliche und gleichberechtigte Zusammenleben in der Gesellschaft. Wenn wir – Muslime und Nichtmuslime und auch die Muslime untereinander – uns hierauf verständigen können und diese Botschaft nach außen kommunizieren, in die Gemeinden und den Alltag tragen, dann baut das Vorbehalte und Berührungsängste ab.

IslamiQ: Unter den Mitgliedern der DIK sollen wieder Einzelpersonen Platz nehmen. Dies wurde vor allem schon bei der ersten DIK diskutiert und stark kritisiert. Was hat Sie dazu bewogen, nun nochmal Einzelpersonen in die Konferenz aufzunehmen?

Kerber: Unser Ziel ist ein Islam in, aus und für Deutschland. Und wenn wir hierzu u. a. Menschen und Projekte vernetzen und fördern wollen, die sich unmittelbar für die Beheimatung von Muslimen, für den Austausch und die Verständigung im gelebten Alltag einsetzen, dann macht es Sinn, die ganze Bandbreite muslimischen Lebens in Deutschland in der Konferenz einzubinden. Dann müssen wir auch die Stimmen derer hörbar machen, die nicht in großen, etablierten Verbänden organisiert sind. Das nimmt aber diesen Verbänden nichts weg, sondern ist eine Bereicherung für alle Beteiligten. Im Übrigen haben bereits seit der ersten DIK durchgängig muslimische wie nichtmuslimische Einzelpersonen in der DIK mitgearbeitet und zwar als Expertinnen und Experten für bestimmte Themen wie etwa die Wohlfahrtspflege für Muslime oder die islamische Seelsorge.

IslamiQ: In einem Interview sagen Sie, man werde auch die „zivilgesellschaftlichen Muslime“, „Kulturmuslime“ und „säkularen Muslime“ miteinbeziehen? Wie unterscheiden Sie diese Muslime? Wie würden Sie sie beschreiben? Wer vertritt sie?

Kerber: Der Islam und das muslimische Leben in Deutschland sind vielgestaltig und heterogen, manche würden sagen: bunt. Diese Vielfalt und die Unterschiede sind auch nachvollziehbar und können produktiv sein – dies aber nur und umso mehr dann, wenn es ein einigendes Fundament im Sinne einer gemeinsamen Werteordnung gibt. Daher werden wir mit allen sprechen, die in diesem Sinn etwas bewegen wollen und können: den islamischen Dachverbänden, aber ebenso mit neu entstandenen Vereinen und Initiativen und eben Einzelpersonen, die an der Basis praktisch wirken. In der kommenden DIK werden wir das plurale Spektrum des Islams und des muslimischen Lebens in Deutschland abbilden.

IslamiQ: In einem Beitrag auf IslamiQ kritisiert der muslimische Theologe Ahmet Inam, dass es dem Staat nicht zustehe, „den Islam“ zu „definieren“. Ihrer Ansicht nach könnte das in der DIK durchaus geschehen. Was verstehen Sie darunter?

Kerber: Wir müssen an diesem Punkt bitte sehr genau sein: Wir brauchen die Debatte über einen in Deutschland beheimateten Islam. Diese Debatte wird breit, öffentlich und auch kontrovers geführt werden. Sie wird aber inhaltlich nicht durch den Staat oder die Regierung geformt. Diese Diskussion, diese Auseinandersetzung muss vielmehr maßgeblich eine innermuslimische sein. Die DIK ist dafür Plattform und Bühne. Wir spüren bei den Muslimen in Deutschland den Drang und die Notwendigkeit der Identitätsfindung. Das kann und darf der Staat nicht definieren oder vorgeben. Aber wir können und wollen diesen Prozess begleiten und mitorganisieren. Und der Staat muss selbstverständlich mit seiner Gesellschafts- und Verfassungsordnung den Rahmen für die Verständigung bilden.

IslamiQ: Sie sagen, dass man sich im Rahmen der DIK mit den „Spitzenverbänden“ genügend ausgetauscht habe. Sind diese nun obsolet geworden? Und ist es aus Sicht des religiös neutralen Staates überhaupt möglich, die einzigen organisierten islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland außenvorzulassen?

Kerber: Die Dachverbände bleiben natürlich auch in der neu startenden Islamkonferenz wichtige Ansprechpartner. Zugleich gilt, dass wir ausführlich und transparent über den Weg zu einer Religionsgemeinschaft entlang den religionsverfassungsrechtlichen Voraussetzungen diskutiert haben. Die Voraussetzungen dafür sind klar. Hier müssen und werden wir nicht neu ansetzen. An diesem Punkt sehe ich durchaus eine Bringschuld der Dachverbände in der Selbstorganisation. Ich höre jetzt wieder öfter, die Dachverbände würden als Gesprächspartner vernachlässigt. Diesen Eindruck möchte und kann ich nicht so stehen lassen: Schon im letzten Jahr gab es auf Fachebene des Innenministeriums Gespräche mit allen islamischen Dachverbänden, die an der letzten DIK teilgenommen haben. Das setzte sich fort über die Beteiligung an einem Werkstattgespräch im Rahmen des Konsultationsprozesses im Vorfeld des DIK-Neustarts. Erst vor wenigen Tagen waren die Dachverbände zu einem Gespräch bei mir im Ministerium. Mein Wunsch und Appell ist: Lassen Sie uns jetzt gemeinsam mutig, optimistisch und offen in den neuen Abschnitt der Deutschen Islamkonferenz starten. Wir im Ministerium und ich persönlich halten das für dringend nötig und wollen den gemeinsamen Erfolg.

 

Das Interview führte Ali Mete.

Stichworte: deutschland ، islam ، islamkonferenz ، iqna
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