“Ich bin extrem besorgt,” sagte Tschems-eddine Hafiz, der Rektor der historischen Großen Moschee in Paris. „ Wir befinden uns in einer Gesellschaft, die zerbrochen ist und nach sich selber sucht, in einer Gesellschaft, welche nach der Pandemie verängstigt ist. Die Tatsache, dass nach einem Sündenbock gesucht wird... dafür gibt es Vorbilder: Als man in den 1930-er Jahren begann, mit dem Finger auf die Juden zu zeigen, die „zum Problem einer ganzen Gesellschaft“ wurden... Heutzutage sind es nicht mehr die Juden, jetzt sind es die Muslime... Ich dachte, dass wir im 21. Jahrhundert vor einem solchen Diskurs sicher wären.“ Das berichtete The Guardian.
In diesem Monat hatte er das Buch „Mit allem erforderlichem Respekt sind wir Kinder dieser Republik“ veröffentlicht, um dem entgegenzutreten, was er „erhöhte antimuslimische Rhetorik“, die nach den Wahlwerbungen durch die Rechten in Frankreich fegt, nennt.
Mit dem Zentristen Macron, der die Wahlen führt und vielleicht im nächsten Monat wiedergewählt wird, haben einige Wahlwettbewerber ihren Schwerpunkt auf Islam und Immigration gelegt.
Der weit rechts ausgerichtete Kandidat Eric Zemmour, ein früherer TV- Experte, der verdächtigt wird, Rassenhass zu provozieren, bezieht sich regelmäßig auf die diskreditierte Verschwörungstheorie der „Großen Ersetzung“, in welcher er behauptet, dass die lokale französische Bevölkerung durch Neuankömmlinge ersetzt werden könnte, wobei Frankreich am Rande eines Bürgerkrieges zu einem Land mit einer muslimischen Mehrheit gemacht werde.
In einem Fernsehinterview rief Zemmour, nachdem er seine Kandidatur verkündet hatte, die Muslime in Frankreich dazu auf, die Ausübung ihrer Religion zu widerrufen. In einer Fernsehdebatte letzten Monats sagte er einem Wähler, dass er dafür eintrete, Frankreich vom Islam zu erretten und die Franzosen vor einer „Ersetzung“ zu bewahren.
Die weit rechts gerichtete Marine Le Pen, die beabsichtigt, ein Referendum über Immigration zu halten und das muslimische Kopftuch aus der Öffentlichkeit zu verbannen, wird als die Kandidatin dargestellt, die am ehesten Macron in der Endwahl am 24. April gegenübestehen wird.
Valérie Pécresse, die für Nicolas Sarkozys rechtstraditionelle Partei, Die Republikaner, steht, war dafür kritisiert worden, dass sie sich bei einer Demonstration in Paris auf die Große Ersetzungstheorie bezogen hatte. Sie hatte versprochen, dass das muslimische Kopftuch in öffentlichen Räumen, einschließlich von Athletinnen bei Sportveranstaltungen, nur noch eingeschränkt getragen werden darf.
Alle rechtsgerichteten Kandidaten hatte nach dem terroristischen Anschlag in Paris 2015 und nach der Enthauptung des französischen Lehrers Samuel Paty 2020 eine Stimmung der Angst in Frankreich verbreitet.
Tschems-eddine Hafiz sagte, dass er der Erste sei, der Terrorismus verdamme, und seine Moschee sei mittendrin dabei daran zu arbeiten, die Radikalisierung in Frankreich zu bekämpfen. Aber er befürchtete, dass die Mehrheit der sich an die Gesetze haltenden französischen Muslime mit den terroristischen Attacken verschmolzen werden, obwohl sie selber oft Opfer terroristischer Angriffe seien.
Er erzählte The Guardian, dass seit einigen Jahren bei jeder Wahl in Frankreich gewisse Kandidaten das Problem Islam angesprochen hätten, wobei sie Islam mit Immigration und Terrorismus in Verbindung gebracht hätten. Französischen Muslime begegnen Stigmatisierung, Beleidigungen oder der Ansicht, dass der Islam mit den Gesetzen Frankreichs oder des Westens nicht vereinbar sei. Aber bei dieser Wahl ist es viel ernsthafter, weil es einen Kandidaten gibt, der keinen Hehl macht, von der „Großen Ersetzung“ redet und mit Vehemenz versichert, dass der Islam und die Muslime nicht in Frankreich bleiben könnten, dass ihr Platz woanders sei und wenn sie in diesem Land bleiben wollten, dürfen sie ihre Religion nicht weiter ausüben.
Hafiz sagte, dass andere Kandidaten der Rechten offensichtlich mit Zemmour darum wetteiferten, den Islam schlecht zu machen, wie zum Beispiel während des internen Hauptrennens bei der Kandidatenwahl. Er sagte, dass trotz der Hauptbedenken der französischen Wähler wie Dinge, dass Enden zusammengeführt werden, es für Kandidaten fast zur Mode geworden ist, den Islam und die Muslime zu kritisieren, sie als Unerwünschte zu sehen, die gefährlich seien und Unsicherheit brächten.
Er sagte: „Wir leben im Jahr 2022, wir sind in der vierten, ja fünften Generation Muslime in Frankreich, und sie sehen uns noch immer als Fremde an.“
Es wird geschätzt, dass in Frankreich etwa 800 000 bis eine Millionen Leute Moschee oder muslimische Gebetsräume besuchen.
Hafiz sagte, dass er befürchte, dass es nach der Wahl mehr antimuslimische Maßnahmen geben werde.
Er sagte, dass auch andere Elemente aus Zemmours Diskurs besorgniserregend gewesen wären, einschließlich seiner Behauptung, dass der Nazikollaborateur Marschall Phillippe Pétain die französischen Juden eher gerettet hätte, als sie in die Konzentrationslager zu bringen.
Zemmour, der in Paris geborene Sohn jüdischer Berber, der in den 1950-er Jahren von Algerien nach Frankreich immigriert war, antwortete letzte Woche auf Hafizens Aufruf, dass die Muslime sich an der Wahl im April beteiligen sollten, um dem Hass entgegenzutreten. Zemmour tweetete: „Der Rektor der Großen Moschee in Paris hat dazu aufgerufen, gegen mich zu wählen. Beabsichtigt Ihr, ihm zu gehorchen?“
Anne Hildago, die Kandidatin der sozialistischen Partei, die an den Wahlen beteiligt ist, hatte vor kurzem die pariser Moschee besucht, wobei sie die Präsidentschaftskandidaten warnte, die Muslime zu Sündenböcken zu machen. Sie sagte, dass sie immer extrem über hasserfüllte politische Diskurse, welche der Brüderlichkeit in Frankreich schadeten, besorgt gewesen sei.