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Hadsch: für afrikanische Muslime mehr als eine bloße Übung

10:39 - July 17, 2022
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TEHERAN (IQNA) – Ein ghanaesischer Forscher sagte, dass der Hadsch verschiedene politische, soziale und wirtschaftliche Einflüsse auf afrikanische Muslime habe und könne nicht nur einfach als ein religiöses Ritual angesehen werden.

Der Hadsch war in diesem Jahr das erste Mal nach zwei Jahren Einschränkungen wegen der Ausbreitung von COVID-19 unter der Gegenwart einer großen Anzahl von Pilgern aus verschiedenen Teilen der Erde ausgetragen worden.

Probleme wie die Reduzierung der Pilgerquote in einigen Ländern sowie die Anwendung des Lotteriesystems für europäische und amerikanische Pilger wurden für viele Muslime in der Welt zu einer Quelle des Bedenkens.

Um weiter über den Hadsch zu diskutieren, hat IQNA sich mit dem afrikanischen Experten Ahmed Badawi Mustapha in Verbindung gesetzt.

Mustapha ist ein wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für afrikanische Studien an der Universität Ghana. Er hatte an der Technischen Universität des Mittleren Ostens in Ankara über internationale Beziehungen promoviert und seinen Magister in Politikwissenschaften von der Nationalen Universität Singapur erhalten. Seine Forschung ist auf Islam und muslimische Gesellschaften, vor allem in Afrika, spezialisiert, zudem auf die Verbundenheit zwischen Staat und Religion, militärischen Organisationen, politischen Verbrechen, radikalen Ideologien, Gegenextremismus und Entkolonisierung.

Im Folgenden steht der volle Text des Interviews:

 

IQNA: Islamische Gelehrte haben schon seit langem das Ritual des Hadsch als ein Mittel, die Muslime zu vereinigen, hervorgehoben. Was ist die Meinung der muslimischen Gelehrten in Ihrem Land über den Hadsch und dessen Effekt auf die muslimische Gesellschaft in Ghana?

Mustapha: Generell gibt es in Ghana unter den Gelehrten, seien es Schiiten oder Sunniten, darüber Einigkeit. Daneben beginnt die Einheit, wie sie von der Hadschsaison verkündet wird, zuhause, da es unter den ganzen islamischen Gruppen in Ghana hinsichtlich der Pilgerfahrtsvorbereitungen und Transport keinen Unterschied gibt. Sie stehen der Hadschsaison als vereinte Linie gegenüber.

 

IQNA: Was, denken Sie, ist die Wirkung des Hadsch auf afrikanische, muslimische Gemeinden?

Mustapha: Das ist eine sehr weite Frage. Gut, muslimische Gemeinden in Afrika vollziehen den Hadsch, da er eine der Säulen des Islams ist, die einen spirituel erhebt, was der zentrale Punkt des Hadsch ist. Wie dem auch sei, seine generelle Wirkung ist nicht messbar und hat viele Facetten.

Innerhalb des Landes (in Ghana und vielleicht in Nachbarländern) machen einige Reiseagenturen und Organisationen, die den Hadsch anbieten, dadurch wirtschaftlichen Gewinn, dass Pilger für die Sicherung eines Platzes für die heilige Reise Gebühren hinterlegen. Die Bewegungen der Hudschadsch (Pilger zur Zeit der Hadsch) zwischen den Städten und innerhalb verschiedener Länder sorgen für ein weiteres Einkommen auf dem kommerziellen Transportsektor. Sozial sind die Familien miteinander dadurch vereint, dass sie eine Person entsenden, die sich um den Reisetransport für die gesamte Familie kümmert.

Außenpolitisch nutzen muslimische politische Führer in Afrika manchmal die Gelegenheit, die ihnen der Hadsch bietet, um mit ihren muslimischen Mitpolitikern von Afrika und anderen Ländern über Angelegenheiten bezüglich ihrer Länder zu diskutieren. Einzelne setzten sich über das Netzwerk mit anderen Muslimen aus den verschiedenen Teilen der Welt aus diversen Gründen in Verbindung. Kurz gesagt, der Hadsch hat auf die Gemeinden in Afrika eine soziale, wirtschaftliche und spirituelle Wirkung.

 

IQNA: In diesem Jahr hatte die saudische Regierung die Anzahl der Pilger limitiert, wobei auch das Lotteriesystem für Hadschbewerber aus westlichen Ländern angewendet wurde. Was halten Sie von diesen Einschränkungen?

Mustapha: Nun, so weit ich weiß, wird das System „auf gut Glück“ in Nordamerika und Europa verwendet. Wie dem auch sei, für Afrika, besonders für Ghana, wendet man das Quotensystem an. Die Quote für Ghana wurde von seinen ursprünglich mehr als 6000 Plätzen auf unter 4000 beschnitten, so dass es für einige Pilger unmöglich wurde, an der Reise, die ihnen so sehr am Herzen lag, teilzunehmen.

So wurde für die meisten afrikanischen Länder der plötzliche Schnitt in die ursprünglichen Quoten eine große Quelle der Beunruhigung und Ärger für diejenigen, welche nicht reisen durften, obwohl sie nach der vorherigen Regelung hätten reisen können. Für Europa und Nordamerika hatte die späte Einführung eines direkten Bewerbungssystems durch einen Online-Kanal unter vielen anderen Komplikationen für Furcht, Panik, Ungewissheit und Kämpfen um einen Platz gesorgt.

 

IQNA: Gibt es in Ghana eine Organisation, mit der Pilger am Hadsch teilnehmen können, und was tut sie im Moment dafür, um es den Pilgern leichter zu machen, an dem Hadsch teilzunehmen?

Mustapha: Das Büro für Angelegenheiten der Hadschpilger, unter den Leuten als „Hadschboard“ bekannt, ist dafür zuständig, dass es die Pilgerfahrt von der ersten Planung bis zum Ende beaufsichtigt. Das ist natürlich nicht ohne Herausforderungen an sich selbst, da das Büro damit zu tun hat, den Hadsch für die muslimische Gesellschaft in Ghana zu verbessern. Seit Beginn hat der Hadsch jedes Jahr seine eigenen Herausforderungen an das Hadschboard. Wir hoffen und beten dafür, dass das Büro sehr bald dazu in der Lage sein wird, über eine nahtlose Hadschorganisation zu verfügen, ohne der größeren Rückschläge, mit denen es über die Jahre zu tun gehabt hatte.

 

IQNA: Gibt es Reiseberichte über den Hadsch von afrikanischen Pilgern? Auf welche Themen konzentrieren sich diese Berichte am meisten?

Mustapha: Ich bin mit nicht sicher, ob Sie sich auf auf den Bericht eines einzelnen Hadschpilgers oder generell auf eine Sammlung von Reiseberichte von allen afrikanischen Pilgern beziehen. Das Letztere wäre kaum möglich, weil ich vermute, dass der Kontinent für eine große Anzahl mannigfacher Erfahrungen riesig genug ist. Ich wüsste nicht, dass es etwas Spezifisches gäbe, aber ich galube, dass es so etwas geben könnte, da wir im Zeitalter der Smartphones leben, wo ein Pilger oder eine ganze Pilgergruppe leicht ein Video machen und über seine Erfahrungen berichten kann. Wie dem auch sei, „Peace dawah media“, eine ghanaesische, einheimische Plattform der sozialen Medien, nimmt freundliches Intresse an dem Hadsch und war sehr aktiv, Videos zu machen, zu diskutieren und Aktualisierungen über generelle Dinge in Bezug auf den Hadsch nicht nur für Ghana, sondern auch für andere afrikanische Länder zu geben.

 

IQNA: Was sind die Bräuche ghanaesischer Muslime, um ihre Pilger auf die Pilgerfahrt zu schicken und wieder willkommen zu heißen?

Mustapha: Es gibt einige erwähnenswerte Bräuche. Ich kann mich an ein paar erinnern. Einer hinsichtlich des Abschieds und des Empfangs der Pilger ist damit verbunden, dass eine große Anzahl von nahen und entfernten Familienmitgliedern den Reisenden im Namen des „die Person als fehlend Sehenden“ begleiten. Eine ähnlich große Anzahl an Familienmitgliedern versammelt sich am Flughafen, um die Person bei seiner Rückkehr willkommen zu heißen. Dies ist in Ghana unter den Muslimen sehr verbreitet. Daneben gibt es vor allem Frauen, die, um zu zeigen, dass sie den Titel „Hadschia“ (jemand, der den Hadsch vollzogen hat) verdienen, einen oder mehrere Zähne mit Gold bedecken. Es wird auch ein Fest veranstaltet, das unter dem Namen „azuuma“ bekannt ist, wo Familie, Freunde und Leute, die gute Wünsche bringen, zusammenkommen um zusammen zu essen, zu beten und den erfolgreich vollzogenen Hadsch zu feiern.

 

Das Interview führte Mohammad Hassan Goodarzi.

 

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