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Julani-Staat und Zukunft der Normalisierung der Beziehungen zum zionistischen Regime

4:41 - July 25, 2025
Nachrichten-ID: 3013230
IQNA- Seit dem Sturz der Regierung von Baschar al-Assad und Einsetzung einer Übergangsregierung unter Ahmed al-Scharaa (Julani) wurden mehrere Fragen aufgeworfen, darunter: Bewegt sich das neue Syrien unter Druck der USA in Richtung einer möglichen Normalisierung der Beziehungen zu Israel?

IQNA: Al-Quds Al-Arabi untersuchte in einem Bericht des irakischen Schriftstellers Sadiq Al-Tai die Entwicklungen in Syrien und Möglichkeit einer Normalisierung der Beziehungen zwischen der Regierung von Ahmed Al-Sharaa und dem zionistischen Regime.

Im Bericht heißt es:

Von Anfang an war klar, dass die internationale Gemeinschaft, insbesondere die USA, die neue syrische Regierung ohne klare politische Bedingungen nicht anerkennen würde. Dazu gehörten Bekämpfung des Terrorismus, Abbruch der Beziehungen zu al-Qaida, Schutz von Minderheiten und Gewährleistung bürgerlicher und verfassungsmäßiger Rechte. Darüber hinaus war klar, dass ein regionales Abkommen vorbereitet werden musste, das auch den israelischen Standpunkt einbezog.

In diesem Zusammenhang ist die Normalisierung der Beziehungen zu Israel untrennbar mit dem diplomatischen und wirtschaftlichen Wiederaufbau des neuen syrischen Regimes verbunden. Aus Washingtons Sicht kann jede syrische Regierung – unabhängig von ihrer Vergangenheit – von der internationalen Gemeinschaft akzeptiert werden, sofern sie Israel Sicherheitsgarantien bietet und sich von ideologischen Feindseligkeiten distanziert.

Syrien und Israel stehen in Nahost-Konflikten seit Jahrzehnten auf gegnerischen Seiten. von 1948 bis zum Ersten Libanonkrieg 1982 kam es zu heftigen Zusammenstößen. Nach dem Sturz des ehemaligen syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Dezember 2024 waren die neuen Machthaber in Damaskus bestrebt gegenüber dem Westen gemäßigt zu erscheinen. Israels Reaktion auf den Wandel in Syrien war jedoch zunächst zurückhaltend: Die neuen Machthaber wurden aufgrund ihrer früheren Verbindungen zu al-Qaida als Terroristen bezeichnet und ein schwerer Luftangriff auf vermeintliche militärische Ziele gestartet. Die Feindseligkeiten legten sich jedoch Mitte Mai, als US-Präsident Donald Trump die Sanktionen gegen Syrien aufhob und sich in Riad mit dem Chef der syrischen Übergangsregierung, Ahmed al-Scharaa, traf. Dieser Schritt beendete die jahrzehntelange feindselige und unnachgiebige Politik Washingtons gegenüber Damaskus.

Einem europäischen Diplomaten zufolge hatten die syrischen Behörden im vergangenen April über mehrere europäische Länder, darunter die Schweiz, Signale für Verhandlungen mit Israel gesendet, doch die USA fungierten als Mittler. Man kann daher sagen, dass die Netanjahu-Regierung dem neuen syrischen Regime zunächst feindselig gegenüberstand. Doch in den letzten Wochen, im Zuge der US-Bemühungen eine Einigung zwischen den beiden Regimen zu erzielen, änderte sich dieser Diskurs.

 

Julani-Staat und Zukunft der Normalisierung der Beziehungen zum zionistischen Regime

 

Auf israelischer Seite leitet Israels innerer Sicherheitsberater Tzachi Hangbi die Verhandlungen. Er sagte kürzlich, Israel und Syrien stehen täglich in direktem Kontakt und diskutierten über künftige Wege zur Normalisierung der Beziehungen.

Auch der israelische Außenminister Gideon Sa'ar kündigte auf einer Pressekonferenz am Montag, 30. Juni, an, dass die Golanhöhen in einem möglichen Friedensabkommen mit Syrien Teil Israels bleiben würden.

Israel besetzte die strategisch wichtigen Golanhöhen 1967 und annektierte sie 1981 de facto. Auch US-Präsident Donald Trump erkannte sie offiziell an.

Unterdessen berichtete der libanesische Fernsehsender LBCI, dass Syrien bei einem möglichen Abkommen nicht die Rückgabe der Golanhöhen anstrebt, sondern die Anerkennung des neuen syrischen Regimes durch Israel, Abzug der israelischen Streitkräfte aus dem Süden Syriens und konkrete Sicherheitsvorkehrungen – alles mit Unterstützung der USA, deren genaue Einzelheiten noch unklar sind.

Andererseits betonte ein syrischer Regierungsvertreter in einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender Kan TV, dass die Frage der Golanhöhen noch nicht auf den Verhandlungstisch kam. Er erklärte, das Hauptanliegen ist derzeit Abzug der israelischen Streitkräfte aus der Pufferzone im Süden.

Er fügte hinzu: Kontakte zwischen Israel und Syrien könnten sehr wichtig sein und die derzeitige Regierung in Damaskus ist gegen den Iran und der Streitkräfte der Hisbollah und der Hamas.

 

Julani-Staat und Zukunft der Normalisierung der Beziehungen zum zionistischen Regime

 

Dabei muss die Rolle der Türkei und der Golfstaaten im Hinblick auf eine künftige Normalisierung der Beziehungen berücksichtigt werden. Die Türkei, die die syrischen Oppositionsgruppen einst am stärksten unterstützte, pflegt trotz der Terrorliste der Gruppe ein kompliziertes Verhältnis zu Hayat Tahrir al-Scham. In den letzten Jahren spielte sie jedoch eine entscheidende Rolle bei der Eindämmung der Gruppe und ihrer Transformation von einer Gegenmacht zu einer organisierteren Einheit, insbesondere in Idlib.

Mit der Machtübernahme der Regierung von Ahmed al-Schara’a wird die Türkei wahrscheinlich in mehreren Bereichen eine vermittelnde Rolle spielen. Der wichtigste davon ist Vermittlung in Sicherheitsfragen zwischen dem neuen Syrien und Israel über informelle Kanäle, um für Ruhe an der Südgrenze zu sorgen und alle Aktivitäten zu kontrollieren, die als Bedrohung für Ahmed al-Schara’as Syrien angesehen werden.

 

Julani-Staat und Zukunft der Normalisierung der Beziehungen zum zionistischen Regime

 

Die Türkei könnte zudem als Förderer internationaler Wiederaufbauabkommen auftreten und ihren Einfluss in Washington und Europa nutzen. Ankara könnte sich als Garant für die Transformation von Hayat Tahrir al-Scham von einer dschihadistischen Gruppe zu einer pragmatischen politisch-islamistischen Gruppe präsentieren, die den Taliban oder in bestimmten Phasen der Hamas ähnelt. Die Türkei würde jedoch darauf achten die Normalisierung nicht auf eine Weise voranzutreiben, die ihre regionale Glaubwürdigkeit untergraben würde, zumal sich ihr Verhältnis zu Israel nach Jahren der Entfremdung allmählich bessert.

Die Rolle der Golfstaaten im Normalisierung-Prozess zwischen Damaskus und Tel Aviv scheint zwischen emiratischem Realismus und saudischer Vorsicht zu schwanken. Die VAE sind, wie schon seit 2020 gegenüber Israel, ein Modell für Strategie der „Normalisierung um Einfluss zu erlangen“.

Sollte Abu Dhabi eine Chance sehen Syrien in eine neue regionale Ordnung zu integrieren, könnte es in Partnerschaft mit Israel gemeinsame Wirtschaftsprojekte in Südsyrien unterstützen, um Stabilität und Frieden zu fördern. Zudem könnte es seine finanzielle Macht nutzen, um den Islamischen Staat zu Zugeständnissen zu drängen, etwa zu einem Ende seiner feindseligen Rhetorik gegenüber Israel.

Riad zeigt sich derweil vorsichtiger, insbesondere angesichts der Brisanz der salafistischen Islamistenfrage und Ursprünge von Hayat Tahrir al-Scham. Sollte Riad jedoch davon überzeugt sein, dass der Scharia-Staat ein stabiles Umfeld ohne iranischen Einfluss schaffen kann, könnte es ihn stillschweigend unterstützen, sofern es eine nennenswerte arabische Unterstützung gibt.

Das Verhältnis zwischen Syriens Ahmed al-Shara’a und Israel unterliegt weiterhin komplexen regionalen Faktoren. Trotz des ideologischen Hintergrunds der neuen Regierung in Damaskus könnten politischer Druck, Wunsch der Isolation zu entkommen, und aktive regionale Vermittler die Tür für unkonventionelle Vereinbarungen öffnen, die eher an den Grenzen der Sicherheit und Wirtschaft als an der Politik beginnen.

An der Schnittstelle türkischer, Golf- und israelischer Interessen könnte die „Normalisierung“ in Syrien neu gestaltet werden, allerdings mit einer deutlich anderen Sprache als in den Abraham-Abkommen und möglicherweise unter anderen Namen. Trotz des offensichtlichen Widerspruchs zwischen der salafistisch-dschihadistischen Ideologie von Hayat Tahrir al-Scham und dem Konzept einer Normalisierung mit Israel ist die Politik im Nahen Osten alles andere als stabil. Amerikanischer und regionaler Druck könnte die Regierung von Ahmed al-Shara’a zu flexiblen Politiken und stillschweigenden Vereinbarungen drängen, die ihr Überleben und Legitimität auch ohne formelle Anerkennung Israels sichern. Zwischen religiösem Pragmatismus und geopolitischem Kalkül ist die Ausgestaltung der neuen syrisch-israelischen Beziehungen Teil einer umfassenderen regionalen Vereinbarung, die über Namen und Flaggen hinausgehen wird.

Übersetzt ins Persische von Fereshteh Seddiqi

Übertragen vom Persischen ins Deutsche von Stephan Schäfer

 

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