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Weihnachten unter Besatzung

13:55 - December 26, 2018
Nachrichten-ID: 3000590
Die israelische Besatzung zielt darauf ab, das Leben der Palästinenser unmöglich zu machen. In Bethlehem begehen die Menschen trotzdem die Feiertage Von Wiebke Diehl

Auch in diesem Jahr pilgern Zehntausende Touristen nach Bethlehem, um dort Weihnachten zu feiern. Die Stadt ist seit Wochen geschmückt und auch die einheimische Bevölkerung, Christen wie Muslime, die ebenfalls an den Festivitäten teilhaben, hat sich vorbereitet. Für die Stadt, die mit dem Weltkulturerbe Geburtskirche eine der bedeutendsten Stätten des Christentums beherbergt, sollte der Tourismus eigentlich eine wichtige Geldquelle sein. Trotzdem weist Bethlehem eine Arbeitslosenquote von fast 25 Prozent auf, die Folgen der israelischen Besatzung, die inzwischen in ihrem 52. Jahr ist, sind allgegenwärtig, auch an Weihnachten.

18 israelische Siedlungen mit 180.000 Siedlern umschließen die Stadt und schneiden sie vom Rest der Westbank und von Jerusalem ab. Immer wieder kommt es zu gewaltsamen Übergriffen durch Soldaten und Siedler, die völkerrechtswidrig, aber mit Unterstützung aller israelischen Regierungen auf besetztem Land gebaut haben. Bestraft werden die Täter in den seltensten Fällen: Mehr als 90 Prozent der von Palästinensern in den vergangenen Jahren eingelegten Beschwerden über Siedlergewalt wurden ohne Anklage abgewiesen.

Die Mauer, von der israelischen Regierung beschönigend »Sperranlage« oder »Sicherheitszaun« genannt, umschließt Bethlehem von drei Seiten, trennt es von seiner Zwillingsstadt Jerusalem und ist zu 85 Prozent ihrer Länge auf palästinensischem Land gebaut. 28 Checkpoints in der Umgebung Bethlehems schränken die Bewegungsfreiheit der Bevölkerung erheblich ein.

Aktuell kontrolliert Israel 86,9 Prozent des Gouvernements Bethlehem und 22 Prozent seiner natürlichen Ressourcen. Infolge der Osloer Abkommen der 90er Jahre gehören nur 7,5 Prozent des Gebiets zur sogenannten A-Zone, die komplett unter der Administration der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) steht. 5,6 Prozent sind als »B-Zone« klassifiziert, in der die PA zwar die zivile Regierungshoheit innehat, aber keinerlei Befugnisse in Sicherheitsfragen.

Im restlichen, allergrößten Teil liegt nicht nur die Sicherheit in Israels Hand, sondern auch die zivile Administration inklusive der Planungshoheit, was dazu führt, dass der Siedlungsbau gefördert, Palästinensern aber etwa 95 Prozent der Bauanträge nicht genehmigt werden. Über 60 Prozent der zerstörten Gebäude liegen in diesem Gebiet und in unmittelbarer Nähe von Siedlungen.

Während die palästinensische Bevölkerung zur Bewältigung eigentlich kurzer Entfernungen oft Stunden braucht, können sich die Siedler auf speziell für sie gebauten, hochmodernen und zu ihrer exklusiven Nutzung vorgesehenen Straßen bewegen. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung hat tragische Folgen: Teils lebensnotwendige Behandlungen sind nicht möglich, weil Krankenhäuser nicht oder zu spät erreicht werden, Babys werden an Checkpoints geboren, Familien werden gegenseitige Besuche verwehrt.

Aber auch die palästinensische Wirtschaft wird extrem gelähmt: Arbeitsstätten werden nicht erreicht, Ländereien, die zu militärischem Sperrgebiet erklärt wurden, können nicht mehr bestellt werden. Auch potentielle Touristen werden durch die angespannte Sicherheitslage und die zu passierenden Checkpoints abgeschreckt. Laut den Vereinten Nationen wäre die palästinensische Wirtschaft ohne Besatzung, ohne Exportbeschränkungen und ohne die Einschränkung des Zugangs zu natürlichen Ressourcen doppelt so groß wie zur Zeit.

Für die Weihnachtstage kehren vor allem viele Christen zurück, die im Vergleich zu muslimischen Palästinensern überproportional häufig ihr Land verlassen. Die meisten von ihnen würden lieber in ihrer Heimat bleiben, aber die Hoffnungslosigkeit treibt sie dazu, sich und ihren Kindern ein sicheres Leben und Aufwachsen ohne Besatzung zu ermöglichen.

 

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