IQNA

Amerikanischer Forscher untersucht Einfluss der Bibel auf Ansichten von Koran-Exegeten

15:28 - January 03, 2024
Nachrichten-ID: 3009673
In seinem neuen Buch untersuchte ein amerikanischer Universitätsprofessor und Koranwissenschaftler die Rolle und Platz der Heiligen Bibel in den Ansichten der Exegeten des Heiligen Korans.

Laut IQNA erhielten Koranstudien an amerikanischen Universitäten in den letzten zwei Jahrzehnten große Aufmerksamkeit und es wurde viel Forschung auf diesem Gebiet betrieben.

Samuel J. Ross, Assistenzprofessor für Religion an der Texas Christian University, ist einer der amerikanischen Korangelehrten. Er promovierte 2018 in Religionswissenschaft an der Yale University mit Schwerpunkt Islamwissenschaft. Von 2007 bis 2011 unterrichtete er außerdem klassisches Arabisch am Qased-Institut in Amman, der Hauptstadt Jordaniens.

Heute lehrt er auf dem Gebiet der Koranstudien und des islamischen Glaubens sowie der zeitgenössischen islamischen Welt. Die Beziehungen zwischen Islam und Christentum, Islam und Moderne sowie amerikanischen Muslimen gehören zu seinen weiteren Interessengebieten.

Ross verfasste mehrere Bücher im Bereich Islam- und Koranstudien. Unter seinen Werken können wir ein Buch über die Bedeutung der Koraninterpretationen in der osmanischen Ära erwähnen. Er schrieb außerdem ein vierbändiges Buch über den Unterricht arabischer Grammatik und Syntax.

Ross‘ neuestes Werk auf dem Gebiet der Koranstudien heißt „The Biblical Turn in the Qur'an Commentary Tradition“ (Die biblische Wende in  der Tradition der Koran-Exegese), umfasst 280 Seiten und erscheint bei De Gruyter. Das Manuskript dieses Buches wurde mit dem BRAIS 2019 – De Gruyter Award ausgezeichnet.

Der Koran, der heilige Text des Islam, ist eine Sammlung von Versen Gottes, die dem Propheten Gottes zwischen 610 und 632 n. Chr. offenbart wurden. Muslime studieren dieses heilige Buch mit Hilfe von Koran-Exegesen, die den Text Vers für Vers erklären und interpretieren. Die ersten Exegesen wurden im 8. Jahrhundert n. Chr. verfasst und muslimische Gelehrte schreiben bis heute Exegesen.

Exegesen helfen den Lesern den Koran zu verstehen. Der Koran ist ein anspruchsvoller Text, der ohne Berücksichtigung der historischen und zeitlichen Situation manchmal schwer zu verstehen ist. Samuel Ross, Assistenzprofessor für Religion, sagt zu den Exegesen: Diese Werke sind von großem Wert. Da sich Exegesen häufig auf Aspekte der Rechtswissenschaft, Wissenschaft und Philosophie beziehen, können Forscher Exegesen aus verschiedenen Zeiten vergleichen um herauszufinden wie sich islamische Ansichten entwickelten. Er fügte hinzu: Exegesen sind wie der Schatz des islamischen Denkens. Ross interessiert sich besonders dafür wie, wann und warum Muslime die Bibel zur Auslegung des Korans nutzten.

Der Koran erwähnt Propheten wie Moses, David und Jesus sowie biblische Überlieferungen wie die Flucht der Israeliten aus Ägypten. Doch solche Geschichten sind verkürzte Berichte, deren historischer Kontext meist nicht klar ist. Ross sagt, das liegt daran, dass der Koran davon ausgeht, dass die ursprüngliche Zielgruppe des Buches, nämlich die Bewohner der Arabischen Halbinsel im siebten Jahrhundert mit diesen vertraut waren. Für Gläubige späterer Generationen und in anderen Teilen der Welt kann die Exegese die Lücken schließen.

Ross sagt, islamische Gelehrte wüssten, dass einige Koranexegesen die Bibel zitierten, er möchte sich jedoch ein klareres Bild davon machen, wie oft und zu welchen historischen Zeitpunkten diese Verweise vorkommen. Seine Forschung kann Aufschluss darüber geben, wie Muslime im Laufe der Geschichte mit Christen und Juden interagierten.

Koranexegesen beziehen sich auf die Bibel nach dem 19. Jahrhundert

Ross durchsuchte den Text von 153 digitalen Interpretationen des Korans nach Hinweisen auf die Bibel. Die Ergebnisse zeigten, dass die Koranexegeten bis zum Ende des 19. Jahrhunderts bis auf seltene Fälle die Bibel in ihren Interpretationen nicht erwähnten. Dann plötzlich begannen ab dem 19. Jahrhundert Kommentatoren aus der ganzen muslimischen Welt, sich auf die Bibel zu beziehen. Seine Entdeckung warf neue Fragen auf: Warum bezogen sich Kommentatoren nicht schon früher auf die Bibel? Was geschah im späten 19. Jahrhundert, das diesen Wandel auslöste?

Ross stellte fest, dass christliche Schriften zwar bereits im 8. Jahrhundert ins Arabische übersetzt wurden, Muslime jedoch bis zum 12. Jahrhundert Schwierigkeiten hatten auf arabische Versionen zuzugreifen. Zu diesem Zeitpunkt war der Islam in den Regionen der Welt, in denen die Kommentatoren arbeiteten einschließlich Spanien, dem Nahen Osten und Zentralasien zur vorherrschenden Religion geworden. Ross vermutet, dass Muslime aufgrund des Mangels an regelmäßigen Kontakten zu Juden oder Christen möglicherweise weniger neugierig auf die Bibel waren.

 

Lesen der Bibel veränderte Verständnis der Muslime vom Koran

Doch die Ausweitung der britischen und französischen Kolonialmacht in die arabische Welt im 19. Jahrhundert ging mit einem Zustrom christlicher Missionare einher, die Millionen von Bibeln auf Arabisch mitbrachten und Schulen gründeten in denen viele Muslime unterrichtet wurden. Ross sagt, dass das Lesen der Bibel die Art und Weise veränderte wie Muslime den Koran verstanden. Er identifizierte Verse, die Exegesen nach dem Zugriff auf die Bibel unterschiedlich interpretierten.

Ross sagt: Sie sehen Beispiele von Kommentatoren, die angesichts eines offensichtlichen Widerspruchs zwischen dem Koran und dem Text der Bibel versuchten die beiden Texte in Einklang zu bringen.

Waleed Saleh, ein Forscher zur Interpretation des Korans und Religionsprofessor an der University of Toronto, der einer der Juroren des British Islamic Studies Association Award war, sagt über dieses Buch: Bis Ross' Forschung führte niemand eine umfassende Studie darüber wie Muslime die Bibel nutzen um die Interpretationen des Korans zu untersuchen durch. Er fügte hinzu: „Er gab uns eine Zusammenfassung und Überblick, die es vorher nicht gab und das gibt uns ein besseres Verständnis dafür wie man die Geschichte der Koranexegesen erzählt.“

 

4189840/

captcha