In den letzten Jahren nach der Niederlage von ISIS im Irak und Syrien scheint die Gruppe den afrikanischen Kontinent für verschiedene terroristische Aktivitäten ausgewählt zu haben. Probleme wie Armut, Schwäche und Korruption lokaler Regierungen und kulturelle Probleme führten in der Region zu religiösem Extremismus.
Jacob Mundy, außerordentlicher Professor für Nahost-Friedens- und Konfliktforschung und Islamwissenschaft ist Direktor des Peace and Conflict Studies Program an der Colgate University in New York und Mitautor vom Buch «Western Sahara: War, Nationalism, and Inseparability (2010)».
In einem Interview mit IQNA sprach er über Gründe und Wurzeln des Aufstiegs von ISIS und Extremismus in Afrika.
IQNA – In den letzten Jahren nach der Niederlage von ISIS im Irak und Syrien erlebten wir die weit verbreitete Präsenz dieser Gruppe in verschiedenen Ländern des afrikanischen Kontinents insbesondere in der Küstenregion mit. Was ist der Grund für diese Änderung der Taktik der ISIL?
Ich denke das ist eher eine Chance als eine Strategie. Die Küstenregion beherbergt einige der ärmsten Länder der Welt und einige der schwächsten Regierungen. Man muss sich nur die Tausenden Afrikaner ansehen, die im Mittelmeer starben, um zu wissen, dass Chancen auf besseres Leben an der Küste und weiten Teilen Westafrikas gering ist.
Bewaffnete Gruppen in der Region behaupten Teil von ISIL zu sein und verwenden den Namen ISIL, um zu rekrutieren, mit anderen bewaffneten Gruppen zu konkurrieren und Marktanteile bei wirtschaftlichen Aktivitäten zu gewinnen, um sich selbst zu finanzieren. Was auch immer von ISIL in Südwestasien und Nordafrika übrig bleibt, profitiert von der Vorstellung, dass ISIL nach wie vor eine große Bedrohung für Interessen des Nordatlantiks darstellt, sowohl in der Küstenregion als auch in Afghanistan.
IQNA: Was ist Ihrer Meinung nach der Faktor, der Menschen zu extremistischen Gruppen wie ISIS in Afrika hinzieht?
Wie ich bereits erwähnte, denke ich, dass die Ursache in der extremen Armut zu suchen ist. Auch wenn regionalen Regierungen auf Bedürfnisse der Menschen reagierten waren ihre Kapazitäten in vielen Bereichen jedoch gering oder nicht vorhanden.
Ihrer Meinung nach kann der Beitritt zu einer Bewegung, dem Leben junger Männer, die keine Zukunft haben einen Sinn geben und kann ihnen auch helfen lokalen Traditionen zu entkommen insbesondere solchen die sozialen und wirtschaftlichen Fortschritt erschweren.
Die Region, die seit Jahrzehnten von Wüstenbildung geplagt wird, wurde auch ökologisch durch die globale Erwärmung durch den Kapitalismus gestört. Daher werden langfristige Zustände riskant aber ist voraus sehbar, dass durch intensivierende Veränderungen des Wasserkreislaufes die Landwirtschaft, Ertrag und usw. unterbrochen wird.
IQNA – Einige glauben, dass eine internationale Kampagne ähnlich der im Irak effektiv ist, um den Extremismus in Afrika zu bekämpfen. Glauben Sie, dass die Afrikanische Union gegen ISIS und ähnliche Gruppen in Afrika erfolgreich sein kann?
Ausländische Interventionen zur Terrorismusbekämpfung in der Küstenregion sind seit ihrem Beginn im Jahr 2002 (als es noch keine terroristische Bedrohung gab) eine Katastrophe. Der US-„Pan-Sahel“-Plan trug tatsächlich dazu bei, das Terrorismusproblem überhaupt erst zu schaffen, das wir heute sehen, indem die Sahara-Sahel-Region präventiv zu einer „terroristischen Zone mit Bezug zum Nahen Osten und Afghanistan“ und zu einem „sicheren Hafen für Terroristen“ erklärt wurde.
Eine wichtige Folge davon war, dass die geringe Anzahl marokkanischer Aufständischer in der Region wichtiger erschien als sie wirklich war. Abgesehen von der Entführung von Ausländern waren sie nicht in der Lage, groß angelegte Operationen gegen eine der nordafrikanischen Regierungen durchzuführen.
Die US-Intervention in der Wüste hatte auch den Effekt die Tourismusindustrie zu zerstören die für die Menschen in der Wüste und Teilen der Küste sehr wichtig war. Zwei Jahrzehnte später leben wir mit den Folgen und jetzt hat sogar Frankreich eingeräumt dass seine Intervention in Mali nicht dazu beitrug, Sicherheit in der Region zu stärken.
IQNA: Welche afrikanischen Länder sind Ihrer Meinung nach am stärksten gefährdet von Extremisten gestürzt zu werden?
Alle Regierungen in der Region sind schwach und korrupt aber die Gemeinschaften unterstützen nicht unbedingt die ISIS-Ideologie selbst wenn sie an lokale Formen der islamischen Kultur angepasst ist. Je weiter man nach Süden (Afrikas) kommt, desto mehr religiöse Neigungen gibt es natürlich. Diese Gruppen können zwischen den Staaten der Region bestehen (z. B. Mali, Mali-Niger-Burkina Faso und Nordost-Nigeria). Aber es wird für sie schwierig sein, Macht zu ergreifen und es wird von der relativen Sicherheit des Landesinneren in die dichter besiedelten städtischen Umgebungen führen.
IQNA: Wie beurteilen Sie die Rolle der inneren Angelegenheiten beim Aufstieg des ISIL und ähnlicher terroristischer Gruppen zur Macht?
Diese Themen sind sehr international. Wie ich bereits erwähnte, ist der Aufstieg des Terrorismus in der Sahara eine Geschichte westlicher Interventionen und westlich unterstützter Regime. Die Weltwirtschaft ist immer noch darauf ausgerichtet, Reichtum aus Afrika in den Nordatlantik und zunehmend nach Ostasien zu bringen. Der Zusammenbruch der Regierung im Norden Malis im Jahr 2012 ist direkte Folge der NATO-Intervention im Jahr 2011 zum Sturz des Gaddafi-Regimes in Libyen. Lokale und regionale Dynamiken sind wichtig aber sagen nicht die ganze Wahrheit.
IQNA: Wie schätzen Sie die Zukunft Afrikas angesichts der aktuellen Situation und der Bedrohung durch den Terrorismus ein?
Eine dunkle Zukunft mit langer Geschichte. Als die europäischen Mächte erkannten dass sie Afrika nicht wie Amerika kolonisieren konnten wurde Afrikas Funktion in der Weltpolitik zu einer „Opferzone“ aus der Reichtum gewonnen werden konnte (billiges Land, reichlich Arbeitskräfte und natürliche Ressourcen) aber „Entwicklung“ hat wenig Bedeutung.
Der Kalte Krieg sorgte dafür, dass Afrika von größeren Mächten abhängig blieb, während der Nordatlantik versuchte, die Dritte Welt zu schwächen und eine neue internationale Wirtschaftsordnung zu errichten, die von blockfreien Ländern wie Algerien und dem postrevolutionären Iran unterstützt wurde. Die neoliberale Globalisierung hat den Grundstein für diese Beziehungen gelegt obwohl China jetzt versucht eine Alternative zur Beherrschung des Nordatlantiks durch Afrika und anderswo zu finden.
Da sich die globale Erwärmung jedoch verstärkt, während die Bevölkerung weltweit abnimmt , stehen wohlhabende Länder vor der wichtigen Frage die Bevölkerung aus unbewohnbaren Tropen in gemäßigtere Regionen im Norden und Süden zu verlagern, um eine nachhaltige Bevölkerungsverteilung aufrechtzuerhalten.
Dies zu verhindern ist der Grund für die wachsende Macht von Rassismus und Nationalismus in der heutigen Welt die solch große Volksbewegungen vom Süden der Welt in den Norden der Welt undenkbar macht. Als Kompensation für Kolonialismus, Imperialismus und Sklaverei im letzten Jahrhundert scheint undenkbar genauso wie eine Entschädigung für Kolonialismus, Imperialismus und Sklaverei im letzten Jahrhundert undenkbar erscheint.