IQNA

US-Forscherin im Interview mit IQNA:

Die edle Fatima (Friede sei mit ihr) ist Vorbild an Spiritualität, Mut und Opferbereitschaft für die Familie

10:03 - December 15, 2025
Nachrichten-ID: 3014066
Teheran (IQNA)- Eine Professorin für Religionswissenschaft an der Universität von North Carolina betrachtete die edle Fatima (Friede sei mit ihr) als großartiges Beispiel für Spiritualität und Mut im Kampf für die eigenen Rechte und Verteidigung der Identität der Familie.

In den letzten Jahrzehnten erfuhren schiitische Studien mehr Aufmerksamkeit von westlichen Gelehrten als je zuvor. Gleichzeitig wurden die Rolle und die hohe Stellung von Hazrat Fatima (S) im schiitischen Weltbild eingehender beleuchtet und in den letzten Jahren sind wertvolle Arbeiten von diesen Gelehrten zu verschiedenen Aspekten ihrer Persönlichkeit und ihres Lebens erschienen.

Eine dieser Forscherinnen, die kürzlich ein Buch über die edle Tochter des Propheten Gottes Fatima (Friede sei mit den beiden) verfasste ist Alyssa Gabbay, außerordentliche Professorin an der University of North Carolina in Greensboro.

In ihrem Buch „Gender and Succession in Medieval and Early Modern Islam: Bilateral Descent and the Legacy of Fatima“ „Geschlecht und Thronfolge im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Islam: Doppelte Abstammung und das Vermächtnis von Fatima (Friede sei mit ihr)“ untersucht sie die Epochen der vormodernen islamischen Geschichte in denen Einzelpersonen oder Gesellschaften die Abstammung sowohl von Männern als auch von Frauen anerkannten. Fatima, die Tochter des Propheten Mohammed, spielt in dieser Studie eine zentrale Rolle, da sie einen wichtigen Präzedenzfall für die Anerkennung der doppelten Abstammung in sunnitischen und schiitischen Gesellschaften schuf. Dies ist insbesondere in Bezug auf Fragen der Erbfolge, Thronfolge und Identität der Frau von Bedeutung.

Das Werk „Gender and Succession in the Middle Ages and Early Modern Periods“ deckt ein breites geografisches und chronologisches Spektrum ab und bietet alternative Perspektiven auf patriarchale Narrative. Es leistet Pionierarbeit indem es den Fokus auf das Verständnis von Familienstrukturen und Abstammung legt. Das Buch knüpft an eine Forschungstradition an und hinterfragt die einseitige und stereotype Vorstellungen von Islam und Geschlecht.

Anlässlich des Geburtstags der edlen Fatima (Friede sei mit ihr) führte IQNA ein Interview mit dieser US-Forscherin, dessen Einzelheiten im Folgenden aufgeführt sind:

IQNA – Muslime aller Konfessionen und Strömungen verehren Fatima (Friede sei mit ihr) als die geliebte Tochter des Propheten und als Vorbild an Glauben, Demut und Stärke. Welche Aspekte ihres Lebens oder Charakters sind Ihnen bei Ihrer Recherche in islamischen Primärquellen besonders aufgefallen?

So viele Aspekte von Fatimas Leben und Persönlichkeit beeindrucken mich, dass es schwerfällt nur einige wenige auszuwählen. Ihre Hingabe und Selbstlosigkeit gegenüber dem Propheten sind zweifellos bedeutsam. Sie scheint dem Propheten in seinen schwierigsten Momenten stets eine große Stütze gewesen zu sein. Mich beeindruckt auch das göttliche Licht, das von ihr ausging und in vielen Darstellungen als von ihr ausgehendes Licht gezeigt wird. Dies ist ein Zeichen dafür, dass sie wie der Prophet das Licht Gottes empfing welches in vielen Fällen Wissen und Verständnis symbolisierte. Ihre Predigt vor der muslimischen Gemeinde in der sie die Richtung der islamsichen Gemeinschaft scharf kritisierte und die Frage nach dem Besitz Fadak aufwarf ist ebenfalls ein sehr eindrucksvolles Zeichen ihrer spirituellen Autorität, auch wenn dies umstritten ist. Schließlich untermauert die Tatsache, dass Fatima den Mushaf (Text von Gott) durch Gabriel empfing ihren Status als jemand, der, wenn nicht Imam oder Prophet, ihnen doch sehr ähnlich ist.

IQNA - Fanden Sie in Ihrer Forschung Hinweise darauf, dass die Nachahmung des Vorbilds der edlen Fatima (Friede sei mit ihr) die Sichtweise späterer muslimischer Gesellschaften auf die religiöse oder moralische Identität von Frauen beeinflusste?

Absolut! Beispielsweise erwähnen schiitische Gelehrte wie Ibn Babawayh (Scheich Saduq) und Majlisi Fatimas Predigt über Fadak in ihren Überlieferung-Sammlungen was darauf hindeutet, dass sie sie als großes Vorbild betrachteten. Sie gilt als jemand der die Gründe für Gebote Gottes wie Gebet und Fasten glaubhaft erklären kann.

IQNA – Einige Gelehrte sehen in Fatima die Verkörperung mütterlicher Fürsorge und sozialen Engagements. Glauben Sie, dass diese Aspekte ihrer Persönlichkeit im zeitgenössischen islamischen Diskurs ausreichend gewürdigt werden?

Ich denke ihre Rolle als Aktivistin und spirituelle sowie weltliche Führungspersönlichkeit wird von zeitgenössischen Wissenschaftlern zunehmend betont und das ist gut so. Dies lässt sich problemlos mit ihrer Rolle als fürsorgliche Mutter vereinbaren; beides ist untrennbar miteinander verbunden.

IQNA – Manche, insbesondere unter schiitischen Zuhörern, sind der Ansicht, dass die spirituelle Bedeutung von Fatima über die soziale Abstammung hinausgeht. Wie antworten Sie jenen die meinen eine rein historische Analyse könne diese sakrale Dimension außer Acht lassen?

Ich stimme vollkommen zu, dass Fatimas spirituelle Bedeutung weit über ihre soziale Herkunft hinausgeht. Mein Ziel in diesem Buch war es nicht ihre gesamte spirituelle Bedeutung darzustellen, sondern einen Aspekt hervorzuheben der möglicherweise übersehen wurde. Es gibt andere gute Bücher, die ihre spirituelle Bedeutung im Allgemeinen ausführlicher behandeln und ich empfehle sie den Lesern wärmstens. Als Wissenschaftler der für ein zumindest teilweise säkulares Publikum schreibt bemühe ich mich stets das richtige Gleichgewicht zwischen wissenschaftlicher Objektivität und Darstellung eines authentischen Bildes des Heiligen zu wahren. Ich kann nicht behaupten, dass mir dies immer gelungen ist, aber gab mein Bestes!

IQNA - Welche Lehren können muslimische Frauen und letztlich alle Gläubigen heute aus der Standhaftigkeit und Frömmigkeit der edlen Fatima (a) ziehen?

Als nicht-muslimische Frau kann ich nur von den Lektionen sprechen, die ich selbst lernte: Geduld im Leid; nicht schweigen angesichts von Ungerechtigkeit wenn es nötig ist; Erkenntnis dass Ruhm, Reichtum und große Leistungen im Leben nicht die wahren Schätze sind, sondern vielmehr der eigene spirituelle Zustand gepaart mit Demut; die Lektion, dass die Hingabe an die Familie von allerhöchstem Wert ist.

IQNA – Die eindrucksvolle Predigt der edlen Fatima (Friede sei mit ihr) über den Vorfall Fadak wird oft aufgrund ihrer intellektuellen und theologischen Tiefe zitiert. Wie interpretieren Sie die Bedeutung dieser Predigt im Kontext der frühen islamischen Ära und Bedeutung der Stimmen von Frauen?

Die Bedeutung von Fatimas Fadak-Predigt kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie ist eine beispielhafte Rede einer Frau, die sich in einer zentralen Frage an die gesamte muslimische Gemeinschaft wendet und dabei ihre kontroversen Ansichten nicht scheut. Aus diesem Grund verdient die Predigt es eingehend untersucht und all jenen als Beispiel angeführt zu werden, die behaupten Frauen hätten im Islam keine Rechte und keine Autorität.

Zweitens war ihr Einfluss sehr weitreichend. Wie bereits erwähnt erwähnen mittelalterliche Gelehrte wie Ibn Babawayh und Majlisi sie in ihren Überlieferung-Sammlungen was darauf hindeutet, dass sie sie als religiöse Autorität ansahen. In der damaligen Zeit glaubte der irakische Gelehrte Ayatollah Muhammad Baqir al-Sadr, dass Fatima (a.s.) die erste Person war die den damaligen Herrscher öffentlich kritisierte.

Ayatollah Sadr lobte die Ansichten der edlen Fatima (Friede sei mit ihr) zur korrekten Strukturierung des Kalifats. Andere zeitgenössische schiitische Gelehrte wiesen darauf hin, dass diese Predigt dazu die Macht der Frauen der Ahl al-Bayt verdeutlichte. Ich denke die Bedeutung dieser Predigt wurde schon lange erkannt und wird auch weiterhin spürbar sein.

IQNA – Ihre Forschung konzentriert sich auf sunnitische und schiitische Quellen. Welche gemeinsamen Werte oder historischen Fakten über Fatima verbinden Ihrer Meinung nach Muslime über konfessionelle Grenzen hinweg?

Ich denke alle Muslime können Fatimas Opferbereitschaft, Frömmigkeit, Weisheit und Hingabe bewundern. Zwar wird ihr von Schiiten ein sehr hoher Stellenwert beigemessen, doch bedeutet dies nicht, dass Sunniten ihre Qualitäten und ihre wichtige Rolle in historischen Ereignissen ignorieren. Dazu gehören ihre unerschütterliche Verteidigung des Propheten, ihre Treue zu ihm, ihrem Ehemann und ihren Kindern sowie Koranverse, die sich auf sie beziehen, wie beispielsweise die Sure Al-Kawthar.

Es ist bemerkenswert, dass Fatima in vormodernen sunnitischen Gesellschaften wie dem Osmanischen Reich hohes Ansehen genoss. So vergleicht beispielsweise eine Stiftungsurkunde für eine Moschee, verfasst von der osmanischen Prinzessin Mehrmah Sultan (gest. 1578), die Prinzessin in ihrer Keuschheit mit Fatima. Dieselbe Urkunde legt fest, dass Fatimas Name regelmäßig in den Gebeten der Moschee erwähnt werden soll.

Tatsächlich war meine Motivation zum Schreiben dieses Buches die Erwähnung von Fatima durch den indischen sunnitischen Dichter Amir Khusro Dehlavi (gest. 1325) in einem kurzen Gedicht, in dem er die Tochter des Propheten preist! Dies ist ein deutliches Zeichen für den Respekt den sowohl Sunniten als auch Schiiten ihr entgegenbringen.

 

4318446

captcha