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„The Lady of Heaven“, Yassir al-Habib und die Zwietrachtstiftungen zwischen Sunniten und Schiiten

20:14 - March 13, 2021
Nachrichten-ID: 3003915
Der Film „The Lady of Heaven“ ist ein aus England produzierter Film, der zur Spaltung zwischen den Sunniten und Schiiten dienen soll. Doch was sind die Methoden heutiger Spalter und wie kann ihnen entgegen gewirkt werden?

Ein Beitrag von Dr. Markus Fiedler

 

Aktuell hat der in England produzierte Film „The Lady of Heaven“ – ein Film über die Tochter des Propheten (s.), Fatima (a.), in dem unter anderem die Rolle Abu Bakrs und der Streit um das Land Fadak thematisiert werden – das Potenzial, für neue Zwistigkeiten zwischen Sunniten und Schiiten zu sorgen. Die Kontroverse um den Film erinnert an die Aktivitäten Yasser al-Habibs und seines Fernsehsenders Al-Fadak, die zu einer berühmten Fatwa (Rechtsgutachten) des iranischen Revolutionsoberhauptes, Ayatullah Chamenei führten, denn sowohl der Fernsehsender als auch der Film entstanden in Großbritannien und bei beiden steht die Frage der Unterstützung des britischen Staates im Raum. Im Folgenden wollen wir darauf näher eingehen.

Der 1979 geborene kuwaitische Staatsbürger Yasser al-Habib flüchtete im Jahr 2004 aus Kuwait, erhielt in Großbritannien Asyl und gründete dort den Satellitenkanal Fadak-TV. Al-Habib trat selbst häufig bei Al-Fadak auf, bezeichnete Sunniten als „Bakris“ (in Anlehnung an den von den Sunniten als ersten Kalifen angesehenen Abu Bakr) und äußerte sich über die von Sunniten als heilig angesehenen Personen abfällig. Er ging im September 2010 so weit, Aischa, die Ehefrau des Propheten Muhammad (s.), als „Feindin Gottes“ zu bezeichnen, was Hass und Zwietracht säte und bei vielen Sunniten heftige Reaktionen auslöste.

Das wirklich Schlimme an al-Habibs Auftreten und seinen Ausführungen aber war, dass er seine Auffassungen als die „wahre Schia“ und die wirklichen Ansichten der Schiiten ausgab. Das hatte das Potenzial, einen Flächenbrand in der islamischen Welt – mit zahlreichen Toten – zu entfesseln. Es musste dringend etwas geschehen, um die Lage zu beruhigen und den sunnitischen Muslimen die wirklichen Anschauungen der Schiiten darzulegen und sie so vor Irreführung zu bewahren. In dieser Situation wandte sich eine Gruppe schiitischer Gelehrter aus der Region Al-Ahsa in Saudi-Arabien an das iranische Revolutionsoberhaupt, Ayatullah Chamenei, und sie baten ihn, sich zur Beleidigung und Verwendung beleidigender Worte gegen die Frau des Propheten, Aischa, zu äußern.

Als Antwort erließ Ayatullah Chamenei die Fatwa (Rechtsgutachten) gegen die Beleidigung von Aischa, in der er die schiitische Ansicht klar darlegte.

So veröffentlichte Ayatullah Chamenei am 30. Oktober 2010 eine Fatwa gegen die Beleidigung religiöser Persönlichkeiten der Sunniten. Angesichts der Frage der Finanzierung des Fernsehsenders Al-Fadak durch die Unterstützung des britischen Staates äußerte er zunächst den Verdacht, dass dies alles nicht zufällig geschehen würde, sondern die Feinde des Islams solche Aktivitäten unterstützen, um Sunniten und Schiiten gegeneinander aufzubringen. So äußerte er sich bei einem Treffen mit sunnitischen und schiitischen Geistlichen in Kermanschah am 12. Oktober 2010 wie folgt: *„Sie bezahlen bestimmte sogenannte schiitische Prediger, um Vorwürfe und Beleidigungen gegen die Mutter der Gläubigen, Aischa, im Namen des schiitischen Islam auszurichten: Dies sind ihre Methoden. Was machen sie als schiitische oder sunnitische Muslime, wenn sie mit diesen Methoden konfrontiert werden?“[1]

Diesen Gesichtspunkt sollten wir auch bei der aktuellen Kontroverse um den Film „Lady of Heaven“ berücksichtigen und uns die Frage stellen, wer wirklich ein Interesse daran hat, in der jetzigen Situation die Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten weiter eskalieren zu lassen und uns das Zustandekommen und die Finanzierung des Films genau ansehen.

Doch zurück zur Fatwa von Ayatullah Chamenei, der anschließend die schiitische Position klar und deutlich wie folgt zum Ausdruck brachte: „Die Schmähung von Wahrzeichen unserer sunnitischen Brüdern, wie zum Beispiel Vorwürfe gegen die Gemahlin des Propheten des Islams, sind religionsrechtlich nicht erlaubt. Dieses Verbot betrifft die Gemahlinnen aller Propheten und insbesondere die des Fürsten der Propheten, des erhabenen Propheten Muhammad (s.).“[2]

Auf der Sadaf Kowsar-Konferenz, die als Hommage an die verehrte Chadidscha abgehalten wurde, sagte Ayatullah Chamenei, dass die Beleidigung von Aischa gleichbedeutend mit der Beleidigung des Propheten sei: „Die Missachtung der reinen Frauen des Propheten (s.) sollte vermieden werden. Die Frauen des Propheten sind alle respektabel; jeder, der eine von ihnen beleidigt, hat den Propheten beleidigt. Ich erkläre diese Offensive entschlossen. Der Kommandeur der Gläubigen, Imam Ali (a.), behandelte ihre Eminenz Aischa so respektvoll. Er behandelte eine Frau, die gekommen war, um gegen ihn zu kämpfen, mit größtem Respekt, weil sie die Frau des Propheten war; andernfalls würde der Befehlshaber der Gläubigen (a.) mit niemandem auf einer Zeremonie stehen. Daher sollte es niemals zu einer solchen Missachtung kommen.“[3]

Diese eindeutige Stellungnahme führte fast augenblicklich zu einer spürbaren Entspannung der Situation. In den arabischen Medien wurde der Fatwa eine große Aufmerksamkeit zuteil. Der Nachrichtenagentur Reuters zufolge wurde die von Ayatullah Ali Chamenei herausgegebene Fatwa „weit verbreitet gelobt“.[4]

So überprüfte der Nachrichtensender Al Jazeera die Fatwa und ihre Auswirkungen auf die islamische Einheit und wiederholte sie in mehreren Nachrichtensendungen. Scheich Ahmad al-Tayib, Imam der einflussreichen Al-Azhar Universität und einer der prominentesten sunnitischen Gelehrten in Kairo, lobte die Fatwa in einem Interview bei Al Jazeera. Er äußerte sich so, dass die Fatwa zum richtigen Zeitpunkt veröffentlicht worden sei und helfen könne, die Spannungen zu entschärfen.[5]

In einer Bekanntmachung schrieb er dazu Folgendes: „Ich habe mit Anerkennung und Zufriedenheit die gesegnete Fatwa von Hazrat Imam Chamenei über das Verbot der Beleidigung von Prophetengefährten oder die Angriffe auf Gemahlinnen des Propheten (s.) erhalten. Diese Fatwa wurde aufgrund des richtigen Wissens und der tiefen Einsicht über die Gefährlichkeit der Aktivitäten der Zwietrachtstifter ausgestellt und zeigt das Interesse und das Verlangen nach der Einheit unter den Muslimen. Diese Fatwa gewinnt dadurch an Bedeutung, dass einer der großen Gelehrten der Muslime und einer der größten Vorbilder der Nachahmung der Schiiten als oberster Führer der Islamischen Republik Iran eine solche Fatwa ausgestellt hat.“

In der Tat ist das Streben nach Einheit der Muslime eine Konstante in der iranischen Politik seit den Anfängen der Islamischen Republik: Bereits seit der Islamischen Revolution 1979 hat sich die Islamische Republik für die theologische und politische Annäherung von Sunniten und Schiiten eingesetzt und die Bedeutung dieser Angelegenheit stets betont. Der Gründer der Islamischen Republik, Ayatullah Ruhullah Imam Chomeini, hat es verboten, die Sunniten in Reden und Predigten zu beleidigen oder zu verunglimpfen. Er hat die iranischen Pilger angewiesen, im Verlauf der Pilgerfahrt nach Mekka mit den Sunniten zusammen zu beten. Imam Chomeini hielt Spaltung und den Streit zwischen Muslimen für ein großes Übel, das nur den Feinden des Islams nutzen würde.

Im Jahr 1982 führte er eine jährliche „Woche der islamischen Einheit“ ein, um durch Konferenzen und öffentliche Kundgebungen den Dialog zwischen den beiden Konfessionen zu fördern. Diese Woche wird in der Zeit zwischen dem 12. und dem 17. Rabi-ul-Awwal begangen. Dabei benutzte er die nach sunnitischen und schiitischen Büchern verschieden überlieferten Geburtsdaten des Propheten (der 12. Rabi-ul-Awwal nach der sunnitischen und der 17. nach der schiitischen Überlieferung), um die Muslime zusammenzuführen. Zwischen diesen beiden Tagen findet die Einheitswoche statt.

Ayatullah Chamenei hat diesen Kurs konsequent fortgeführt. Er betonte stets die Notwendigkeit der Einheit und die Vermeidung von Streit, wie es im Vers 46 der Sure Anfal (Sura 8) heißt: „Und gehorchet Gott und seinem Gesandten, und streitet nicht miteinander, sonst würdet ihr verzagen, und eure Durchsetzungskraft würde auch schwinden.“ [Heiliger Quran, 8:46].

Im Jahr 1991 gründete Ayatullah Chamenei den „Weltverband für die Annäherung der islamischen Rechtsschulen“. Diese Organisation ist aktiv dabei, jährlich die Woche der Einheit zu gestalten, Konferenzen zu organisieren und veröffentlicht auch Zeitschriften.

https://english.khamenei.ir/news/3905/Ayatullah-Khamenei-s-fatwa-Insulting-the-Mother-of-the-Faithful ↩︎

http://ijtihadnet.com/ayatollah-khameneis-fatwa-insulting-ʻ ↩︎

https://english.khamenei.ir/news/3905/Ayatullah-Khamenei-s-fatwa-Insulting-the-Mother-of-the-Faithful ↩︎

Hammond, Andrew. "Iran leader wins plaudits over sectarian strife fatwa", zuletzt abgerufen am 7.5.2020 ↩︎

Vgl. ebenda ↩︎

 

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