IQNA

Amerikanischer Professor am Hastings College in einem Interview mit IQNA:

Die Zwei-Staaten-Lösung der palästinensischen Frage ist Fortsetzung der israelischen Besatzung und Kolonialisierung

23:57 - April 30, 2022
Nachrichten-ID: 3006024
Teheran (IQNA)- „Es gibt derzeit keine politische Kraft, die die 700.000 israelischen Siedler im Westjordanland und in Jerusalem zum Rückzug zwingen kann“, sagte Professor George Besharat. „Daher ist die Zwei-Staaten-Lösung definitiv gescheitert und die Fortsetzung des Aufrufs zur Bildung von zwei Staaten dient lediglich dazu, den Status quo zu unterstützen und die Kolonisierung und Besetzung Israels fortzusetzen.“

Seit Beginn des heiligen Monats Ramadan fand in den besetzten Gebieten eine neue Runde von Zusammenstößen statt, die von mehr Gewalt begleitet wurden als die jüngsten Spannungen wobei der Schwerpunkt auf Anwesenheit zionistischer Juden im Innenhof der Al-Aqsa-Moschee lag mit dem Vorwand religiöse Zeremonien abzuhalten.

George Bisharat ist Juraprofessor am Hastings College in San Francisco und Experte für US-Außenpolitik im Nahen Osten. Bisharat wurde 1954 als Sohn eines palästinensischen Vaters und einer amerikanischen Mutter geboren und promovierte 1987 in Anthropologie und Nahoststudien an der Harvard University. Er ist Autor eines Buches über palästinensische Anwälte aus dem Jahr 1991 und hat zahlreiche Artikel über Palästina und die Rechte der Palästinenser in verschiedenen amerikanischen und nichtamerikanischen Publikationen verfasst. In einem Interview mit IQNA sprach er über die jüngsten Spannungen in den palästinensischen Gebieten, die ausführlich besprochen werden.

IQNA – In den letzten Tagen wurden wir Zeuge neuer Konflikte in den besetzten palästinensischen Gebieten. Was ist der Unterschied zwischen diesen Vorfällen und früheren Spannungen?

Ich persönlich sehe keinen großen Unterschied zwischen aktuellen und vergangenen Spannungen. Was wir in den letzten Wochen sahen ist dem was wir letztes Jahr sahen ziemlich ähnlich. Im Gesamtbild sind diese Ereignisse eine Art Flut für kolonialer Fortschritt der israelischen Siedler und Fortsetzung des palästinensischen Widerstands gegen diesen Prozess.

Allerdings gibt es mit jeder Eskalation neue Details, bestimmte Zeiten und neue Epochen, die die Spannungen eskalieren lassen (wie der Beginn des Monats Ramadan oder die Feier des Tages der Natur durch Palästinenser am 30. März oder der Jahrestag der Katastrophe, der erste arabisch-israelische Krieg 1948. Jedes Jahr am 15. Mai). Aber im Allgemeinen weist die aktuelle Krise große Ähnlichkeiten mit früheren den Spannungen auf.

 

Die Zwei-Staaten-Lösung der palästinensischen Frage ist Fortsetzung der israelischen Besatzung und Kolonialisierung

 

IQNA: Was ist Ihrer Meinung nach der Grund für das Scheitern der internationalen Gemeinschaft bei der Lösung der Palästinenserfrage?

Es ist im Grunde die Unterstützung Israels durch die Vereinigten Staaten und in gewissem Maße durch Großbritannien, Frankreich und andere europäische Mächte, die diese Niederlage verursacht hat. Die Motive jedes dieser israelischen Unterstützer sind etwas unterschiedlich, aber es gibt grundsätzlich politische, wirtschaftliche und militärische / Sicherheitsinteressen in jedem, die zur Unterstützung Israels oder zumindest zur Gleichgültigkeit gegenüber Israels Verweigerung der palästinensischen Rechte führen.

Wenn Israel keine solche Unterstützung (militärisch, diplomatisch, wirtschaftlich usw.) aus dem Ausland erhalten hätte,  hätte es sich längst mit den Palästinensern unter seiner Herrschaft in den palästinensischen Gebieten abfinden müssen.

IQNA – Einige glauben dass der Zwei-Staaten-Plan aufgrund gelegentlicher Spannungen in den palästinensischen Gebieten scheitern wird. Was ist Ihre Meinung?

Die Zwei-Staaten-Lösung könnte nach der Unterzeichnung des Oslo-Abkommens 1993 Aussicht bei Einhaltung seitens Israel Erfolg haben. Das israelische Regime beschloss jedoch seinen langfristigen Plan fortzusetzen, mehr oder alle Gebiete zu besetzen, die die internationale Gemeinschaft als palästinensische Staatsgebiete auswiesen.

Derzeit gibt es keine politische Kraft, die die 700.000 israelischen Siedler im Westjordanland und in Jerusalem zum Rückzug zwingen könnte. Es ist unmöglich, einen stabilen, nachhaltigen und unabhängigen palästinensischen Staat auf einem Land zu schaffen, das nicht von den Palästinensern kontrolliert wird.

Damit ist die Zwei-Staaten-Lösung bereits endgültig von Israel zerstört worden. Die Fortsetzung der Forderung nach der Bildung zweier Länder in Situationen die unmöglich zu erreichen sind unterstützt lediglich den Status quo, nämlich die Fortsetzung der israelischen Kolonialisierung und Besatzung durch dieses Regime.

 

Die Zwei-Staaten-Lösung der palästinensischen Frage ist Fortsetzung der israelischen Besatzung und Kolonialisierung

 

IQNA - Warum hat der Plan zur Normalisierung der Beziehungen zwischen mehreren arabischen und islamischen Ländern und Israel die Spannungen in den palästinensischen Gebieten nicht abgebaut?

Ganz Einfach! Der Plan ging nicht auf palästinensische Bedenken ein und befreite Israel faktisch von äußerem Druck der zum Schutz der palästinensischen Rechte führen könnte. Der sogenannte „Abraham-Abkommen“ ist in Wirklichkeit ein Militärbündnis repressiver und autoritärer Staaten, das sich hauptsächlich gegen den Iran richtet. Diese Verträge haben nichts mit Frieden zu tun, sondern um diese repressiven Regime in ihrer jetzigen Form aufrechtzuerhalten.

IQNA - Wie kann Ihrer Meinung nach der palästinensischen Frage geholfen werden und was ist grundsätzlich die bestmögliche Lösung für alle Menschen, die in den palästinensischen Gebieten leben um Frieden zu erreichen?

Israelische Juden und palästinensische Araber sind dazu bestimmt für eine unbekannte Zukunft im selben Land zu leben. Deshalb müssen sie lernen zusammenzuleben, so dass jeder wirtschaftlich und auf andere sichere Weise vorankommen kann.

Die bevorstehenden Herausforderungen des Klimawandels werden die Zusammenarbeit in den kommenden Jahren noch wichtiger und notwendiger machen. Da die beiden Seiten nicht ohne Gewalt und extreme Ungerechtigkeit getrennt werden können, erfordert der Weg nach vorne einen politischen Rahmen der den derzeitigen Zustand der Apartheid ersetzt den die israelische Menschenrechtsgruppe B'Tselem das "Regime jüdischer Vorherrschaft vom Fluss bis zum Meer" nennt demgegenüber Gleichberechtigung herzustellen.

Meine persönliche Überzeugung ist, dass eine einzige Regierung auf der Grundlage echter Demokratie und Gleichberechtigung der vielversprechendste Weg nach vorn ist.

 

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