Die Proteste und Unruhen in Frankreich letzte Woche wegen der Ermordung eines jugendlichen Einwanderers stattfanden führten dazu, dass die Frage der Kluft in der französischen Gesellschaft und der Rechte rassischer und religiöser Minderheiten in diesem Land erneut zur Hauptschlagzeile der Medienanalyse wurde.
Einige Experten glauben, dass die Politik von Paris im Umgang mit Minderheiten insbesondere Muslimen dazu führte, dass sich diese von Franzosen offen diskriminiert fühlen.
Laut dem französischen Soziologen Michel Wieviorka, der sich umfassend mit den Problemen des Lebens in Vororten französischer Großstädte befasst, kann ein starkes Gefühl ungerecht behandelt oder nicht anerkannt zu werden, zu Wut und Hass führen, der sich anschließend in Form von Gewalt in einem einfachen Vorfall ausbreitet, der Zeichen sozialer und rassischer Diskriminierung ist.
Paul Smith ist Professor an der Nottingham University in England und Experte für französische politische Fragen. Smith hat über die politische Geschichte Frankreichs und die Wahlen in diesem Land geschrieben, das wichtigste davon ist A History of the French Senate aus dem Jahr 2005. Er hat auch einen Blog mit dem Titel „Fifth-and-a-Half Republic“ über politische Themen in Frankreich. In einem Interview mit IQNA sprach Smith über diese Proteste und ihre Wurzeln.
Auf die Frage nach der Ursache diesen Protesten antwortete Paul Smith mit Bezug auf die Frage der Integration von Minderheiten in die französische Gesellschaft: „Der Grund für diese internen Probleme liegt im Scheitern einer Struktur, die nicht in der Lage war die Bedürfnisse der Unterschicht so weit wie möglich zu erfüllen und sie in die breitere französische Gesellschaft zu integrieren oder zumindest mit der Vorstellung aufräumen, dass junge Menschen in der Gesellschaft keine Zukunft haben. Andererseits hielt Macron viele Reden über die Dekolonisierung der französischen Gesellschaft, was aber nur leere Slogans waren.
Auf die Frage, dass einige glauben, dass die Sichtweise der französischen Regierung auf religiöse und rassische Minderheiten noch immer an der Kolonialzeit dieses Landes in Afrika angelehnt sei, antwortete Smith und verwies auf die koloniale Vergangenheit Frankreichs: „Hier gibt es mehrere Faktoren. Zugegebenermaßen muss sich Frankreich noch mit seiner kolonialen Vergangenheit auseinandersetzen insbesondere im Fall Algeriens (und umgekehrt) im weiteren Sinne. Viele Briten sind der Ansicht, dass Frankreich eine zivilisierende Mission hatte und das genügte. Die kolonisierten müssen Frankreich lieben aber das ist nicht so einfach.
Auf eine Frage zur Haltung der französischen Regierung gegenüber Muslimen, die sie als Separatisten betrachtet antwortete der Professor der Universität Nottingham: „Die französische Regierung hat eine Sicht auf die Gesellschaft, die nicht bereit ist Unterschiede zu akzeptieren selbst wenn Frankreich ein „Regenbogen mit allen möglichen Identitäten und Religionen“ ist.
Er fügte hinzu: „Aber es ist wahr, dass Frankreich seine Nichtakzeptanz von Unterschieden auf seine muslimische Bevölkerung konzentrierte. Auch dies hängt zum Teil mit der Unfähigkeit zusammen, die Frage der Niederlage im algerischen Unabhängigkeitskrieg zu verarbeiten aber hängt auch mit der Sichtbarkeit zusammen.
Frankreich im Kulturkrieg
Dieser Experte für politische Fragen in Frankreich sagte: „Die säkulare Regierung als Waffe gegen religiöse Unterschiede zu nutzen ist eine Ausrede. Anders ist es beim Separatismus, bei dem es um die Angst vor einer Verinnerlichung der Gesellschaft (Trennung von der Gesellschaft) geht. Im aktuellen Kontext lässt sich jedoch nicht vermeiden, dass Frankreich in einen Kulturkrieg verwickelt ist in dem Weißsein und eine katholische Identität sogar ein säkularer Katholizismus,wieder als Norm etabliert wurde.“
Er erwog die Möglichkeit einer strengeren Haltung der französischen Regierung gegenüber Muslimen und französischen Minderheiten und sagte: „Ich befürchte, dass Macron Probleme bereitet gegen Ordnung und Frieden anstatt die problematische Frage intelligent zu untersuchen.“
Auf die Frage, was das Verhalten der französischen Regierung nach diesen Unruhen ändern wird, sagte Smith abschließend: „Die Antwort auf diese Frage ist schwierig. Im Jahr 2018 erhielt Macrons Berater Jean-Louis Borloo den Auftrag einen Bericht über stadtnahe Gebiete zu erstellen [einschließlich Empfehlungen zur Ausbildung und Stärkung der Menschen in diesen Gebieten]. Macron wies den Bericht zurück und sagte, dass privilegierte Weiße nicht diktieren können wie sich die ethnische Bevölkerung Frankreichs verhält. Vielleicht war dieses Problem der Ausgangspunkt des jüngsten Trends.
Das Interview führte Mohammad Hasan Gudarzi
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