IQNA: Das internationale Webinar „15 Jahrhunderte der Nachfolge des Gesandten des Lichts und der Barmherzigkeit“ fand am Dienstag, dem 9. September, anlässlich des 1500. Jahrestages der Geburt des letzten Propheten Muhammad Mustafa (sas) und der Woche der Einheit unter der Schirmherrschaft der International Quran News Agency (IQNA) statt.
Zu den Themen, die in diesem Webinar besprochen wurden, gehörten unter anderem „globale Mission des Propheten Gottes (sas) aus der Perspektive des Korans und Überlieferungen“, „Toleranz, Nachsicht und Freundlichkeit im Leben des Propheten“, „Der Heilige Prophet (sas); gutes Beispiel für alle Altersgruppen“, „Das Leben des Propheten (sas) und Anerkennung religiöser Identität“ sowie „Unsterblichkeit des Islam und vereinte islamische Gemeinschaft angesichts der westlichen Globalisierung“.
Dieses Webinar fand online in Anwesenheit von Hojjatoleslam Wal-Muslimin Seyyed Hossein Khademian Noushabadi, Seminar- und Universitätsprofessor, als Gast des Mobin IQNA Studio und im virtuellen Teil mit einer Gruppe von Gelehrten und Denkern von Seminaren und Universitäten aus verschiedenen Ländern statt.
Ayatollah Sheikh Muhammad Yaqubi, große religiöse Autorität in Najaf Ashraf, Dr. Juan Cole, Professor für Geschichte an der University of Michigan und Autor des Buches „Muhammad: Prophet des Friedens in der Hitze des Kampfes der Imperien“, Hojjatoleslam Walmuslimin Yahya Jahangiri, Dozent am Seminar und an der Universität und Leiter der Repräsentanz der Organisation für Islamische Kultur und Kommunikation in Qom (auf Englisch); Dr. Abdul Salam Qavi, Professor an der Al-Azhar-Universität in Ägypten, und Sheikh Yousef Ghazi Hanina, Leiter der Muslim Scholars‘ Association im Libanon, hielten im virtuellen Teil ihre Reden zu den Themen dieses Webinars.
Der vollständige Text der Rede von Dr. Juan Cole lautet wie folgt:
Guten Abend allerseits.
Ich bin Juan Cole und unterrichte Geschichte an der Universität von Michigan. Heute möchte ich ein wenig über den Propheten Mohammed (Friede sei mit ihm) und das Thema Toleranz und Güte sprechen. Diese Eigenschaften verbinden alle Muslime mit dem Propheten (Friede sei mit ihm). Doch zumindest in der westlichen Welt – die den Propheten (Friede sei mit ihm) manchmal verunglimpft – ist er nicht gerade für seine Gutmütigkeit, Güte und Toleranz bekannt.
Doch es gibt zahlreiche Belege im Koran von dem Muslime glauben, dass er von Gott durch den Propheten (Friede sei mit ihm) offenbart wurde und der manchmal an ihn gerichtet ist. In diesem Buch finden sich zahlreiche Belege dafür, dass der Prophet (Friede sei mit ihm) ein toleranter und mitfühlender Mensch war. In Sure Al-Anbiya, Vers 107, wendet sich Gott an den Propheten (Friede sei mit ihm) und sagt auf Arabisch: „Und wir haben dich nur aus Barmherzigkeit für die Welten gesandt.“
Meiner Meinung nach zeigt dieser Vers wie der Koran, der die Stimme Gottes ist den Propheten (Friede sei mit ihm) darstellt. Viele Verse im Koran beziehen sich auf die frühe Gemeinschaft des Propheten (Friede sei mit ihm) und betonen Toleranz.
Eine davon steht in Sure Al-Furqan, Vers 63. Dort heißt es: „Und die Diener des Allerbarmers sind jene die in Demut und Bescheidenheit auf der Erde wandeln und wenn die Unwissenden sie ansprechen (und kritisieren), antworten sie mit Seelenfrieden (und einer guten Zunge).“ „Frieden“ (arabisch As-Salam) zu sagen war in der Antike eine Form des Gebets. Es war ein Ausdruck des Wunsches nach Frieden und Ruhe für einen anderen und „Frieden“ selbst bedeutete Sicherheit und Geborgenheit, nicht nur Frieden, sondern Sicherheit vor Härten des Lebens. Dieser Vers fordert Muslime auf den Unwissenden Frieden zu wünschen und dieses Wort bezieht sich im Koran meist auf diejenigen, die sich nicht beherrschen können und rebellisch sind. Dies waren diejenigen, die Muslime verspotteten und schikanierten.
Die Frage ist: Was soll mit diesen Menschen in der neu entstehenden Gemeinde des Propheten (Friede sei mit ihm) in Mekka geschehen? Die Antwort des Korans: Grüßt sie! Und zwar diejenigen, die demütig auf Erden wandeln und die Eigenschaft des „Barmherzigen“ in ihrem Wesen zeigen: die Diener des Allbarmherzigen Gottes.
Muslimische Gelehrte und Mystiker gehen bei der Interpretation dieses Verses davon aus, dass die Formulierung „Diener des Allerbarmers“ über die bloße Dienstbarkeit Gottes hinausgeht. Sie sehen in diesem Vers vielmehr einen Hinweis auf die inneren Eigenschaften der Gläubigen, Eigenschaften, die Gottes barmherzige Eigenschaft widerspiegeln.
Ein weiterer Vers steht im Koran, Sure Fussilat. In den Versen 33-34 heißt es: „Wer ist besser auf der Welt als der, der die Menschen zu Gott ruft und Gutes tut und sagt: ‚Ich gehöre zu denen die sich meinem Gott ergeben‘?“ „Und Gut und Böse sind in der Welt niemals gleich. Wehre das Böse (der Menschen) immer auf beste Weise ab (also gut und gütig), damit derjenige, der dein Feind ist, dein Freund und Zugehöriger wird.“
Dieser Vers ist sehr tiefgründig. Ich denke er geht über alles hinaus, was in der Bergpredigt oder im Neuen Testament steht. Denn er besagt, dass das Böse abgewehrt werden muss. Wie? Mit Güte! Mit höchster Güte! Wenn jemand mit dieser hohen Moral leben kann, also dem Bösen mit Güte begegnet hat dies laut Koran transformierende Wirkung.
Wir sehen dies in den Erzählungen aus der Zeit des Propheten (Friede sei mit ihm) und es gibt viele Beispiele in seinem Leben. Zum Beispiel als die Muslime 630 n. Chr. nach ihrer Vertreibung aus Mekka nach Medina zurückkehrten, obwohl viele der mekkanischen Ältesten im Laufe der Jahre die Muslime, ihre Freunde und ihre Familien töteten als die Muslime Mekka betraten, hielt Gott gemäß dem Text des Korans ihre Hände von den Muslimen und Hände der Muslime von den Menschen Mekkas ab. [Sure Al-Fath, Vers 24]
Anders als auf Schlachtfeldern üblich wo der Sieger blutig befleckt wird, kam es in Mekka nicht zu kollektiver Rache. Späteren Berichten zufolge – und ich denke im Einklang mit dem Koran – wurden die mekkanischen polytheistischen Führer nicht hingerichtet. Stattdessen wurden sie in die neue Gesellschaft integriert.
Es heißt, der Prophet (Friede sei mit ihm) schenkte einigen seiner Feinde viele Kamele, um den Weg zur Versöhnung zu ebnen. In diesen Überlieferungen spiegelt sich also derselbe Vers aus der Sure Fussilat wider, der empfiehlt mit Feinden sanft umzugehen.
Wenn man dem Bösen mit Güte begegnet wird aus einem Feind ein Freund, ein enger Gefährte und Unterstützer.
Ich denke, dies zeigt die Eigenschaften des Propheten (Friede sei mit ihm). Eigenschaften, die wir aus dem Koran und islamischen Quellen über ihn kennen. In Sure 30, Vers 22 ist sehr interessant. Dies ist Sure Ar-Rum und in diesem Vers heißt es: „Und zu seinen Zeichen [der Macht und Herrschaft] gehört die Erschaffung der Himmel und der Erde und die Vielfalt eurer Sprachen und Rassen. Wahrlich, hierin [den Tatsachen] liegen Zeichen für Leute des Wissens.“
Auch hier handelt es sich um ein Konzept, das in der Antike vielleicht nicht einzigartig war, aber sicherlich als ungewöhnliche Perspektive galt.
Dieser Vers würdigt Unterschiede! Unterschiede in Hautfarbe und Sprache. Zwei Zeichen, die wir heute ethnische oder Stammeszugehörigkeit nennen und der Koran würdigt diese Unterschiede. Sie sind Zeichen Gottes und weil diese Unterschiede Zeichen Gottes sind können sie uns inspirieren. Dass Menschen mit unterschiedlichen Sprachen und Hautfarben und damit unterschiedlichen Kulturen etwas Einzigartiges und Neues mitbringen. Das ist innovativ und etwas, dem wir Beachtung schenken, von dem wir lernen und das uns erleuchten sollte. Damals predigte die zoroastrische Religion des alten Iran viele Tugenden. Aber ein toleranter Blick auf Ausländer gehörte nicht dazu. Die iranische Ethnie galt als überlegen und es gab nur Iran und Nicht-Iran.
Und in den Augen der Priester waren Nicht-Iraner minderwertig. Vielleicht sogar böse. In der griechisch-römischen Welt war es genauso. Im Byzantinischen Reich nannten die Schriftsteller Nicht-Griechen „Barbaren“. Die englische Vokabel „barbarian“ stammt davon ab. Sie betrachteten Araber als Barbaren. Sie nannten sogar Iraner Barbaren, obwohl diese vielleicht zivilisierter waren als die Römer.
Dies war eine Form der Verachtung für Menschen, die eine andere Sprache sprachen. Das Wort „barbar“ ist wahrscheinlich ein phonetischer Begriff. Wenn jemand eine unbekannte Sprache spricht, klingt das für andere „barbarisch“. Das bedeutet, dass die Person als jemand angesehen wurde, der stottert oder keine korrekte Sprache verwendet. Der Koran wendet sich gegen diese Haltung.
Auch in der Antike gab es diskriminierende Ansichten über die Hautfarbe. Sogar der große antike Arzt Galen sprach von der Minderwertigkeit schwarzer Haut. Ich sage nicht, dass diese Einstellung weit verbreitet war. Aber es gab Verachtung für Sprache und Hautfarbe. Doch in diesem Koranvers, der durch den Propheten (Friede sei mit ihm) überliefert wurde, sehen wir eine völlig andere Sichtweise. Die Frage ist nun: Wie bauen wir eine moderne muslimische Gesellschaft auf, eine Gesellschaft von Anhängern des Propheten (Friede sei mit ihm) und des Korans? Die Frage ist, wie wir Ausländer behandeln.
Wir sahen, dass in Mekka rebellische Feinde mit „Frieden“ behandelt wurden. In Sure An-Nahl, Vers 125, heißt es: „Lade [die Menschen] mit Weisheit und gutem Rat auf den Weg deines Herrn ein und streite mit ihnen auf die beste Art und Weise. Wahrlich, dein Herr weiß am besten über diejenigen Bescheid, die von Seinem Weg abirren und über diejenigen die recht geleitet sind.“ Dieser Vers weist darauf hin, dass man nicht über Ausländer und Andersgläubige urteilen sollte. Dieses Urteil ist Gottes Urteil, nicht unseres!
Unsere Pflicht ist es mit den Anhängern anderer Religionen weise zu sprechen und ihnen gute Ratschläge zu geben. Es gibt keinen Hinweis auf religiöse Überlegenheit gegenüber anderen. Der Koran hat sogar einen humorvollen Unterton. Er sagt, wenn du beweisen willst dass deine Religion besser ist, dann tue anderen Gutes. Bist du dadurch freundlicher? Bist du großzügiger und toleranter? Bist du in dieser Hinsicht überlegen? Oder prahlst du nur mit der Überlegenheit deines Glaubens? Ich denke die Idee des Korans ist, dass man seine Güte zeigt indem man sich für andere aufopfert, für sie leidet und sich für sie einsetzt.
Der Prophet (Friede sei mit ihm) war auch für seine Großzügigkeit und Vergebung bekannt. Daher lautet der Rat im Umgang mit anderen: Gib ihnen gute Ratschläge. Teile deine Weisheit mit ihnen. Das tun diejenigen, die demütig auf Erden leben. Der Rat lautet demütig zu sein, nicht arrogant und überheblich, auch nicht gegenüber Fremden und Menschen außerhalb der eigenen Gemeinschaft. Dies sind nur einige Verse, die die Geduld und Güte des Propheten (Friede sei mit ihm) zeigen. Ich wollte sie mit euch teilen.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
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