
Während der Telefonkonferenzen der Vermittler erklärte das zionistische Regime es müsse zunächst die restlichen Leichen seiner Gefangenen im Gazastreifen vollständig in Empfang nehmen bevor es der zweiten Verhandlungsphase zustimme. Gruppen Palästinas lehnten diese Bedingung jedoch ab und forderten die Vermittler auf die US-Regierung zur Einhaltung ihrer Verpflichtungen zu bewegen und Israel zur Umsetzung der Abkommen zu zwingen.
Die zweite Phase des Waffenstillstandsabkommens , die in der ägyptischen Stadt Sharm el-Sheikh unterzeichnet wurde, betont den Beginn der Verhandlungen der zweiten Phase in denen die Zukunft des Gazastreifens und der Institution, die für die Verwaltung des Gazastreifens zuständig sein wird, sowie das Schicksal der Widerstandswaffen im Gazastreifen erörtert werden sollen.
Während sich alle Aufmerksamkeit auf die Aufrechterhaltung des fragilen Waffenstillstands im Gazastreifen, Austausch von Gefangenenleichen, Entsendung humanitärer Hilfe und Reduzierung der Spannungen konzentriert, betonte die Weltgesundheitsorganisation gleichzeitig, dass die Situation weiterhin „katastrophal“ ist.
Michael Awad, libanesischer Experte für Militär- und Strategieangelegenheiten, sprach mit INQA über die jüngsten Entwicklungen im Gazastreifen und die jüngsten Schritte des israelischen Regimes mit Billigung der USA. Das vollständige Interview folgt:
IQNA – Einige arabische Regime setzen heute auf die Rolle der USA und den von Trump angekündigten „Friedensplan“. Was ist Ihrer Meinung nach das tatsächliche politische Ziel dieser Initiative? Kann dieser Plan, wie seine Befürworter behaupten, zum Ende des Krieges und zum Beginn des Friedens führen?
Das offizielle arabische und islamische System ist in Wahrheit ein Produkt des Ersten und Zweiten Weltkriegs. Die meisten der bestehenden Regierungen und Grenzen wurden mit dem Ziel geschaffen mit dem zionistischen Regime zu interagieren und den Interessen des Westens zu dienen. Ihre Rolle bestand darin die Vorherrschaft zu sichern, Ressourcen auszubeuten und die Entstehung einer unabhängigen Macht in der Region zu verhindern. Bis heute verlassen sich diese Regierungen auf die USA und glauben USA sei ein sicherer Hafen; doch die jüngsten Ereignisse, darunter der israelische Angriff auf Katar, zeigten, dass Washington weder Sicherheit bietet noch loyal ist. USA unterstützt im Wesentlichen Israel und beutet die Ressourcen der Region für seine eigenen Interessen aus. Die arabischen Führer verharren jedoch in ihren alten Illusionen und Gewohnheiten und beharren weiterhin auf derselben abhängigen Politik.

IQNA – Die Hamas soll sich mit vollem Vertrauen und Entschlossenheit für die Umsetzung des Waffenstillstandsabkommens einsetzen, obwohl dieser brüchig ist und das zionistische Regime eine lange lange Geschichte von Abkommensbrüchen aufweist. Wie beurteilen Sie die Zukunft dieses Prozesses?
Die Hamas erhielt Unterstützung von regionalen Garantiemächten wie der Türkei, Ägypten und Katar. Selbst Trump erklärte wiederholt, er habe über seine Vermittler mit der Hamas verhandelt und deren Rolle gelobt. Diese Faktoren stimmten die Hamas optimistisch hinsichtlich des Fortbestands des Abkommens. Auf der anderen Seite strebt der Gazastreifen nach relativer Ruhe für den Wiederaufbau. Der US-israelische Plan ist jedoch klar: Ein Projekt zur Kontrolle der Hälfte des Gazastreifens, der sogenannte „Riviera-Plan“, von dem Trump sprach. Der US-Vizepräsident hatte angekündigt, dass der Wiederaufbau nur in den von Israel besetzten Gebieten stattfinden würde. Auch Netanjahu strebt einen Anteil an und sieht die Fortsetzung des Krieges als Mittel zum Zweck seine politischen Ziele zu erreichen. Die Zerstörung des Gazastreifens und Tötung seiner Bevölkerung dienten gewissermaßen den Plänen Trumps und einer Gruppe von Geschäftsleuten in seiner Regierung. Der Ausgang des Krieges brachte Israel jedoch in Verruf und schwächte Netanjahus Position. Es wird befürchtet, dass seine Regierung bei einer Fortsetzung der Krise zusammenbrechen könnte. Demzufolge bleibt das Risiko einer erneuten Eskalation des Konflikts bestehen.
IQNA – Ein Teil des Abkommens ist an die Freilassung von Gefangenen geknüpft, doch manche befürchten, dass Israel das Abkommen nach Erfüllung dieses Teils brechen wird. Ist es möglich, dass der zionistische Feind die Sache erneut sabotiert?
Israel ist ein heimtückischer Feind und kann jederzeit gegen das Abkommen verstoßen. Trump selbst räumte ein, dass die Fortsetzung des Krieges den US-Interessen schadet und sagte sogar zu Netanjahu: „Sie können nicht länger auf die Unterstützung der Welt zählen, denn die Welt ist gegen Sie!“ Sollte Netanjahu rebellieren wird Trump sicherlich nicht mit ihm in einen Kampf ziehen, um Gaza zu retten oder die Rechte der Palästinenser zu verteidigen. USA versucht stets Entwicklungen für die eigenen Interessen zu instrumentalisieren, weder für Gerechtigkeit noch Freiheit.
IQNA – Wird sich das zionistische Regime nach dem Waffenstillstand tatsächlich an einen vollständigen Rückzug aus Gaza halten? Kann man Washington oder Trump als unparteiischen Vermittler und Garanten des Abkommens betrachten?
Unserer Ansicht nach ist der Krieg noch nicht beendet und wird so lange andauern bis eine der beiden Achsen einen entscheidenden Sieg erringt. Netanjahu erklärte die Entwaffnung der Hisbollah und des Widerstands im Gazastreifen sowie die Entvölkerung großer Teile Palästinas und die Ausrufung eines „Großisraels“ als sein oberstes Ziel. Doch das tatsächliche Kräfteverhältnis deutet auf das krasse Gegenteil hin. Israels Niederlagen am Boden, Scheitern bei der Erreichung seiner Ziele und alleinige Abhängigkeit von Luftangriffen brachten das Regime an den Rand des Zusammenbruchs. Der Widerstand wird sich voraussichtlich vom Gazastreifen ins Westjordanland und sogar auf andere Gebiete wie die Golanhöhen und Jordanien ausweiten. Unter diesen Umständen wird der Widerstand der Bevölkerung weit verbreitet sein und die Fortsetzung des Krieges bis zur vollständigen Befreiung Palästinas vom Meer bis zum Fluss ist unausweichlich. Weder die sogenannten Abraham-Abkommen noch eine Normalisierung der Beziehungen noch ein New Deal sind noch wirksam.
IQNA – Manche glauben, dass die aktuelle Phase ein neues Gleichgewicht zwischen Widerstand und Kompromissbereitschaft schuf. Wie sehen Sie die Zukunft dieser Situation?
Im Libanon ist es aufgrund der Verfassung und Gleichgewichts der konfessionellen Kräfte unmöglich den Widerstand mit Gewalt zu entwaffnen. Die schiitische Gemeinschaft, die ein Drittel der Bevölkerung ausmacht übt Einfluss auf allen Ebenen des Landes aus, von der Politik bis hin zum Militär. Die libanesische Armee ist waffentechnisch unterbesetzt und absolut nicht in der Lage der Hisbollah militärisch entgegenzutreten. Ihre Kommandeure räumten die diesbezügliche Unfähigkeit der Regierung ebenfalls ein. Selbst US-Regierungsvertreter bestätigten, dass die libanesische Regierung nicht in der Lage ist den Widerstand zu entwaffnen. Im Falle einer israelischen Aggression würde diese die Infrastruktur zerstören und somit die Legitimität des Widerstands wiederherstellen. Das libanesische Volk weiß, dass nur der Widerstand das Land verteidigen kann. Jüngste Bilder schiitischer Paraden und des gesellschaftlichen Zusammenhalts zeigten deutlich, dass diese starke Volksbewegung tief verwurzelt ist und keine Macht im Libanon ihr gewachsen ist. Der Generalsekretär der Hisbollah erklärte zudem, er wird die Waffe des Widerstands bis zum letzten Atemzug verteidigen, da sie Symbol nationaler Ehre und Unabhängigkeit ist. Jeder mögliche israelische Angriff würde diese militärische Stärke lediglich ausbauen, aber keinesfalls zerstören.
QKNA – Die USA und Israel arbeiten an der Entwaffnung des islamischen Widerstands in der Region. Welche Strategie verfolgt der Iran in dieser Situation und ist es möglich, dass die Waffen des Widerstands zerstört werden?
Der Iran, der die Natur des aktuellen Konflikts tiefgreifend versteht, betrachtet ihn nicht als unbedeutenden Krieg, sondern als entscheidenden Kampf um sein Überleben und das der islamischen Gemeinschaft. Teheran reagiert niemals impulsiv, sondern agiert strategisch und mit langfristiger Vision, um das regionale Machtgleichgewicht wiederherzustellen. Für den Iran beginnt seine Sicherheit in Palästina und erstreckt sich bis zum Mittelmeer. Dieser Ansatz machte ihn stabiler und beständiger als andere Systeme. Teheran ist überzeugt, dass mit zunehmender Intensität dieser Kriege die Schwäche künstlicher Strukturen immer deutlicher zutage treten und sich die Legitimität der Widerstandsachse als einzig historisch und wirksam für die Befreiung der Region erweisen wird.
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