Richard Anderson Faulk wurde 1930 in New York geboren. Er studierte Wirtschaftswissenschaften und dann Rechtswissenschaften und promovierte 1962 in Rechtswissenschaften an der Harvard University.
Richard Faulk ist Autor oder Co-Autor von 20 Büchern und Herausgeber oder Co-Herausgeber von 20 weiteren Titeln. Im Jahr 2008 ernannte der Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen (UNHRC) den Völkerrechtsprofessor ihn für eine sechsjährige Amtszeit zum UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechtssituation in den besetzten palästinensischen Gebieten.
Der mittlerweile pensionierte Professor für internationales Recht an der Princeton University sprach mit IQNA über die Ereignisse der letzten zwei Monate bei der Schändung des Korans in Schweden und Dänemark und ihre rechtlichen und politischen Dimensionen.
Unbeliebtheit der Schänder
Falk antwortete auf die Frage, was er von den Mäsnahmen hält, die wegen der mehrfachen Schändung des Heiligen Korans im vergangenen Monat in Schweden und Dänemark unternommen wurde, mit: Als erste Antwort interpretiere ich die Schändungen als Aspekt des Angriffs der Rechtsextremisten auf die säkulare Demokratie in Europa. Die Tatsache, dass Schweden der Hauptort dieser Ereignisse war ist bedeutsam, da es zuvor als das fortschrittlichste sozialdemokratische System in Europa mit sehr toleranten Atmosphäre galt und kein Nährboden für extremistische politische Bewegungen war. Dennoch gewann der einwanderungsfeindliche rechte Flügel (nicht die Blasphemie-Extremisten) die letzten nationalen Wahlen in Schweden und regieren derzeit das Land.
Er fügte hinzu: Ein weiterer Grund könnte mit der Wut und Angst vor dem rechtsextremen Flügel der in Schweden lebenden muslimischen Türken und dem offiziellen Versuch des Landes, der NATO fast 75 Jahre nach der Bildung dieses Bündnisses beizutreten, zusammenhängen. Dies könnte einer der Gründe für die Tendenz der Schweden zum rechten Flügel sein. Unter diesem Gesichtspunkt sollten sich die Ereignisse der Schändung gegen die schwedische Regierung richten, da diese offensichtlich den Wunsch hegt mit der Türkei in dieser Frage zu verhandeln und weil dadurch die Glaubwürdigkeit ihres rechten Flügels geschädigt wird durch die Umsetzung dieser Aktionen und Politik der Einmischung in den Kulturraum Europa der Türkei.
Er fuhr fort: Natürlich sind diese Worte von mir nur eine Vermutung aber sie scheinen mit den Verhaltensmustern dieser extremistischen Institutionen im Einklang zu stehen. Einer der Haupttäter der Schändung in Schweden und Dänemark ist Rasmus Paludan, ein dänisch-schwedischer Anwalt und Politiker sowie Vorsitzender der radikalen Partei Strum Kurs, die in beiden Ländern tätig ist. Bei den schwedischen Wahlen 2019 erreichte er nur 1,8 % der Stimmen, was noch nicht mal für den Einzug ins Parlament reichte. Es sei darauf hingewiesen, dass die Türkei einen Haftbefehl gegen Paludan erließ und ihn für einen Schändungsvorfall zu Beginn dieses Jahres verantwortlich machte, der die Sicherheit der türkischen Botschaft in Stockholm gefährdete.
Zurückhaltendes Vorgehen der Europäischen Union
Falk fügte hinzu: Generell ist antiislamischer Extremismus eine interne Herausforderung und ein internationales Problem für die Europäische Union, die Frieden und Stabilität in Europa anstrebt , ohne negative Auswirkungen auf ihre Beziehungen zu Ländern mit muslimischer Mehrheit zu haben. Als Reaktion auf die Koranverbrennung entfernte Katar alle schwedischen Produkte von seinem größten Markt, dem Souq al-Baldi und eine Reihe anderer Länder zogen ihre Botschafter aus Schweden als Ausdruck islamischer Solidarität ab. Die Europäische Union vertritt in dieser Frage weiterhin eine vorsichtige Haltung und beruft sich auf die in mehreren ihrer wichtigsten Mitgliedstaaten geltenden Gesetze zur Meinungsfreiheit. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell erläuterte die offizielle Reaktion der EU wenn auch auf zweigleisige Weise. Er sagte über die Schändung des Korans: „Nicht alles, was legal ist, muss auch moralisch sein.“
Er fügte hinzu: Ein ähnlicher Ansatz lässt sich bei der Abstimmung des Menschenrechtsrats der Vereinten Nationen im Juli über die Resolution erkennen, die die Schändung des Korans verurteilte. Diese Resolution wurde von den negativen Stimmen der führenden europäischen Länder begleitet, darunter England, Deutschland und Frankreich, denen sich die Vereinigten Staaten von Amerika anschlossen. Obwohl diese Regierungen die Schändung des Korans verurteilten lehnten sie doch die Resolution des Menschenrechtsrats zu unterstützen ab mit der Begründung, dass es sich um einen „unausgewogenen Text, der die Meinungsfreiheit bedroht und nahezu jedes Sakrileg in unannehmbarer Weise verbietet.“ Die Gesamtabstimmung über die Resolution der 47 Mitglieder des Obersten Menschenrechtsrates umfasste 28 positive Stimmen gegen 12 negative Stimmen und 7 Enthaltungen.
Dieser amerikanische Experte erklärte: Die meisten Mitglieder dieses Rates aus afrikanischen Ländern sowie China unterstützten diese Resolution. Die offizielle Erklärung des Menschenrechtsrats beschreibt die Resolution wie folgt: Am 12. Juli verabschiedete der Menschenrechtsrat eine Resolution, in der er alle Formen der Unterstützung und Äußerung religiösen Hasses einschließlich der jüngsten öffentlichen und vorsätzlichen Schändung des Heiligen Korans verurteilt und entschieden abgelehnt werden.
Laut Falk verlangt die Resolution von den Regierungen nationale Gesetze mit ähnlichen Zielen zu erlassen, aber es ist jedoch unwahrscheinlich, dass sie den geringsten Einfluss auf die Abstimmung der zwölf Nationen gegen die Resolution haben wird.
Extremisten suchen mediale Aufmerksamkeit
Auf die Frage, wie man solche Taten stoppen und zur Förderung des interreligiösen Respekts und des friedlichen Zusammenlebens zwischen Anhängern verschiedener Religionen beitragen könne, antwortete der Professor für Völkerrecht: „Es gibt jetzt einen Widerspruch: Je härter die Bemühungen sind das schreckliche Verhalten islamfeindlicher Menschen zu stoppen und rechtsextremistische Gruppen am Ende sind, so steigt ihre Versuchung solche Aktionen noch mehr fortzusetzen. Kurzfristig streben diese Gruppen nach öffentlicher und medialer Aufmerksamkeit und nicht nach Macht. Die Schändung des Korans dient auch als Rekrutierungsstrategie die diejenigen anzieht die mit ihrem Leben zutiefst unzufrieden sind und dazu neigen Muslime für ihre schlechten sozioökonomischen Bedingungen verantwortlich zu machen.
Er fuhr fort: Dann gibt es gegenseitigen Druck von dogmatischen Säkularisten ihr Verhalten als Reaktion auf den Protest ausländischer religiöser Institutionen nicht zu ändern. Im gegenwärtigen historischen Klima Europas genießen Sakrilegakte insbesondere solche, die sich gegen theokratische Länder wie die Türkei richten ein hohes Maß an stillschweigender Zustimmung der Bevölkerung. Was in einigen mehrheitlich muslimischen Ländern oft kriminalisiert und hart bestraft wird, so wird es im säkularen Westen als Rede unter dem Schutz des Gesetzes gefeiert.
Notwendigkeit von religiösen Dialogs und Zusammenarbeit zwischen Regierungen
Falk fuhr fort: „Interreligiöser Dialog sofern er auf hoher Ebene geführt wird, fördert zumindest ein besseres Verständnis der kulturellen und religiösen Unterschiede zwischen Ländern und Zivilisationen aber die Hauptursache für diese Verhaltensweisen ist ethnischer und religiöser Extremismus der im schlimmsten Fall dies schafft. Grundlage dafür sind faschistische Regierungsstile, die in Europa nach dem Ersten Weltkrieg auftraten. Ein weiterer Schritt zur Reduzierung solcher Spannungen wären internationale Bemühungen zur Verbesserung der materiellen Bedingungen in unterentwickelten Ländern, was fast automatisch dazu führen würde, dass der massive Migrationsstrom jetzt aus verarmten oder vom Krieg oder dem Klimawandel betroffenen Gemeinden eingedämmt wird. Wir müssen uns alle daran erinnern, dass die meisten Menschen ihre Heimat nicht verließen, es sei denn die Lebensbedingungen wurden unerträglich.
Er fügte hinzu: Daher können nur Maßnahmen auf globaler Ebene zur Verbesserung von Konfliktlösungsmethoden und zwischenstaatlicher Zusammenarbeit die Motivationen von Extremisten und solchen die zu Angriffen auf religiöse Minderheiten stark aufgehetzt wurden schwächen.
Auf die Frage, wer oder welche Gruppierung hinter diesen Beleidigungen steckt und wer oder welche Gruppierungen davon profitieren, antwortete der ehemalige UN-Reporter: „Wie bereits gesagt wurde, gehen Beleidigungen des Islam von der extremen Rechten aus, die sich gegen sie richtet. Es werden faschistische Ideen und Aktionen gezeichnet. Solches hat es im Laufe der Geschichte schon immer gegeben. Während Hitler und der Nationalsozialismus Juden als ethnische Gruppe ins Visier nahm, in den Vereinigten Staaten Afroamerikaner ins Visier genommen werden, die die Vorherrschaft der Weißen wiederherstellen wollen und nach den Anschlägen vom 11. September 2001 war es der Islam, der ins Visier genommen wurde. Unter Trump wurden Einwanderer ins Visier genommen insbesondere diejenigen, die illegal ins Land eingereist waren.
Extremisten nutzen Angriffe auf Muslime aus
Er fügte hinzu: „Extremisten gedeihen in einer Atmosphäre des Nationalismus, in der ihre Handlungen obwohl oberflächlich verurteilt, weil sie mit den Meinungen und Vorurteilen eines großen Teils der Bevölkerung übereinstimmen. Ich glaube, dass die Gefahr in Europa davon ausgeht, dass die extreme Rechte durch solche bösen Praktiken mehr politische Macht erlangen. Der Aufstieg des säkularen Populismus und seiner autokratischen Führer auf der ganzen Welt hat selbst in vielen Ländern der arabischen Welt zur Unterdrückung der muslimischen Religionsfreiheit geführt! Ein deutlicheres Beispiel ist in Indien zu sehen als Modi sich bemühte die hinduistische Vorherrschaft zu erlangen und sogar in Myanmar, wo die Militärführung im Bündnis mit der buddhistischen Mehrheit die Rohingya-Muslime im Bundesstaat Rakhine brutal unterdrückte.
Zu der Frage, dass die schwedischen und dänischen Behörden ihr Bedauern über die Schändung des Korans zum Ausdruck gebracht und erklärt hätten, dass sie diese aufgrund von Verfassungsgesetzen die die Meinungsfreiheit schützen nicht verhindern könnten, antwortete Falk: „Obwohl einige die Ansicht unterstützen, dass die Schändung des Korans und anderer heiliger Bücher gegen das Völkerrecht verstoßen und die von Marokko vorgeschlagene und im Konsens angenommene Resolution der UN-Generalversammlung vom 25. Juli dies erklärt so sehen die meisten westlichen Regierungen dies nicht für verbindlich wenn die Verabschiedung von Strafgesetzen und internen Maßnahmen auf starken Widerstand stößt .
Er fügte hinzu: Dieses ist in der Resolution zu finden: „Alle Gewalttaten gegen Menschen aufgrund ihrer Religion oder Weltanschauung sowie alle Handlungen gegen religiöse Symbole, heilige Bücher, Häuser, Unternehmen, Eigentum und Vermögenswerte, Schulen, Kulturzentren oder Kultstätten. Außerdem stellt jeder Angriff auf religiöse Stätten, Stätten und Schreine stellen einen Verstoß gegen internationale Gesetze dar.
Dieser amerikanische Anwalt fügte hinzu: Es gibt ein grundlegendes gesetzgeberisches Problem, das selten diskutiert wird. Im Westen, also Westeuropa und Nordamerika erfolgte die Trennung von Kirche und Staat nach jahrzehntelangen Religionskriegen im Christentum. Seit dem Westfälischen Frieden von 1648 akzeptierte die herrschende politische Tradition in verschiedenen Formen die Trennung von Kirche und Staat und es gab Widerstände gegen die offene religiöse Aufsicht und deren direkte Einbindung in die Politik. Sicherlich gab es auf praktischer Ebene Widersprüche insbesondere bei symbolischen Fragen wie bestimmten Frauenrechten. Im Gegensatz dazu ist mein Verständnis, dass islamische Werte eine solche Trennung ablehnen und sind fest davon überzeugt, dass das Gesetz religiösen Geboten folgen muss.
Falk fuhr fort: Ich glaube nicht, dass das Völkerrecht stark genug ist um das Verhalten von Staaten in Bezug auf Fragen der Menschenrechte und der Heiligkeit religiöser Werte und Praktiken zu beeinflussen. Vielleicht wird der Kampf ums Überleben der Menschheit genügend Unterstützung für die transzivilisatorische Einheit liefern, die einige darunter auch ich als einzigartiges Beispiel einer „notwendigen Utopie“ vorgeschlagen haben. Bis dahin wird es Konflikte um Schändung des Korans, heiliger Bücher anderer Religionen sowie heiliger Orte und Gegenstände im Allgemeinen geben. Im Gegenzug müssen wir aufpassen, dass wir ihre Leidenschaften und Ambitionen nicht dadurch schüren, dass wir die Aufmerksamkeit der Medien auf uns ziehen, die solche Extremisten so dringend wünschen.
Übersetzung: Mohsen Haddadi
Übertragung vom Persichen ins Deutsche: Stephan Schäfer
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