IQNA: Die Website des Al-Mayadeen-Netzwerks befasste sich am ersten Jahrestag des Martyriums des verstorbenen Generalsekretär der Hisbollah im Libanon Sayyed Hassan Nasrallah in einer Notiz des Politikexperten Kazem Al-Hajj mit diesem traurigen Ereignis. Die Übersetzung dieser Notiz im Folgenden:
Nicht das, was wir in Büchern lesen macht Geschichte, sondern das was Taten auf der Erde hinterlässt und was Märtyrer im Gewissen der Nation hinterlassen.
Ein Jahr ist vergangen seit der Märtyrertod von Sayyid Hassan Nasrallah (möge Gott mit ihm zufrieden sein) der Achse des Widerstands eine Wunde zufügte. Eine Wunde die den Schmerz des Verlustes, Sehnsucht, Herzen brach und die Gewissheit die die Schritte stärkte mit sich brachte. Dieses Ereignis ist kein vorübergehendes Ereignis über das man in den Nachrichten lesen kann, sondern vielmehr ein kontinuierlicher Weg, der mit der Balfour-Deklaration beginnt, 1979 endet und sich dann im Südlibanon, Gaza, Bagdad und Sanaa bis zum heutigen Tag fortsetzt.
Diese Anmerkung ist weder eine trockene politische Analyse noch eine emotionale Elegie, die vergeht wenn Tränen getrocknet sind, sondern ein Versuch die Wahrheit mit den Rissen in der Realität zu verbinden um zu beweisen, dass das was übrig bleibt das ist was die Fakten bestätigen, wenn sie dargelegt werden.
1917 gab Großbritannien, was es nicht besaß denen die es nicht verdienten. Für Palästina und seine Bevölkerung begann ein Jahrhundert der Katastrophen und parallel dazu ein Jahrhundert der Gewissensprüfungen für Araber und Muslime. Palästina verwandelte sich von einem begrenzten geografischen Gebiet in ein spirituelles, ideologisches und nationales Gravitationszentrum.
Die arabischen Nationen mobilisierten ihre Armeen, blieben aber kurz vor der Niederlage stehen. Die Vertreibungen nahmen zu und das Leben in den Lagern verschärfte sich, sodass sie zu einer geografischen Alternative zur Heimat wurden. Doch die Gesetze der Geschichte machen mit der Niederlage nicht halt. 1979 änderte sich diese Situation durch drei entscheidende Ereignisse:
Erstens: Der Sieg der Islamischen Revolution, der zur Geburt der Islamischen Republik Iran führte und die Losung der Unterstützung der Unterdrückten von einer Losung zu einer Pflicht von Gott sowie einer moralischen und menschlichen Pflicht erhob und Palästina so wieder in den Mittelpunkt der Verfassung und Entscheidungsfindung des Landes rückte.
Zweitens: Schaffung grenzüberschreitender Terrormilizen durch die USA in Afghanistan unter dem Motto des Dschihad gegen die Sowjetunion. Im Kern ging es jedoch darum eine verzerrte Religion in ein Werkzeug zur Manipulation von Landkarten und Gesellschaften zu verwandeln, um dem zionistischen Herrschaftsprojekt zu dienen.
Drittens: Den gestorbenen Verbrecher Saddam Hussein als Herrscher des Irak an die Macht zu bringen, um die Region in einen achtjährigen Krieg gegen den Iran zu ziehen bei dem das Blut unschuldiger Menschen vergossen und Geld und Zeit verschwendet werden mit dem Ziel die Flammen der Revolution zu löschen und die Aufmerksamkeit der Region von Jerusalem abzulenken.
In der ersten Woche nach dem Sieg der Revolution wurde die israelische Botschaft in Teheran geschlossen und ihre Türen als Botschaft Palästinas für den Staat Palästina geöffnet.
Dieser Wandel war nicht symbolischer Natur, sondern reale Aktion, die Jerusalem zum Kompass der Region machte und nicht länger ein verbales Ornament oder Verhandlungsobjekt, sondern vielmehr zum Herzstück der Region. Andererseits fand die Besetzung des Libanon statt. Sie steigerte sich von einer Invasion zur nächsten bis sie 1982 das Herz Beiruts erreichte.
Doch im selben Boden wuchs ein anderer Samen, ein Samen aus Karbala und dem Ruf „Hayhat Mina Al-Dhalah“ (=Weg mit der Erniedrigung). Dieser Samen kreuzte sich mit dem Geist der iranischen Islamischen Revolution, die die Politik anhand der Kriterien der Unterdrückten neu definierte und aus dieser Kreuzung erwuchs eine neue und gesegnete Frucht, die ein strategisches und soziales Phänomen schuf, das Grenzen überschritt und zum Aufbau einer widerstandsfähigen Gesellschaft führte.
In diesem Moment trat der Generalsekretär in Erscheinung, auf den die arabischen und muslimischen Nationen lange warteten. Ein Generalsekretär, der den Realismus des Schlachtfelds mit der Tiefe seines Glaubens verband und der die Schule von Karbala, die die Geschichte durch die Linse des Sieges des Blutes über das Schwert betrachtet, mit einer ideologischen und pastoralen Vision verband, die den Wert von Stärke, Zeit und einer widerstandsfähigen Gemeinschaft erkannte.
Wir sprechen hier nicht von einem vom Volk isolierten Individuum, sondern von Sayyed Hassan Nasrallah, einem Generalsekretär, der Zunge und Hand, Herz und Ziel und Glaube mit dem Land verband. Ein Generalsekretär, der ehrlich zu seinem Publikum sprach, keine Versprechen machte die er nicht hielt und sich an die Prinzipien der Realität und Natur des Kampfes hielt. Mit Sayyed Hassan Nasrallahs Anwesenheit verwandelte sich der Widerstand von Gruppen in eine ideologische Identität, die Sekten überwindet. Gaza und das Westjordanland wurden zu einem Spiegel, der in der Erfahrung des befreiten Südlibanons die Bestätigung der Worte und die Möglichkeit sah diese Praxis in Palästina zu wiederholen. Nach einer langen Zeit der Niederlage wurde der Name Sayyed Hassan Nasrallah mit der Idee des Sieges in Verbindung gebracht.
Die Entstehung dieses Phänomens war weder zufällig noch flüchtiges oder begrenztes Ereignis. Vielmehr war es ein ideologischer Diskurs, der Palästina in den Mittelpunkt des Glaubens stellte, nicht nur eines Ideals. Es war eine strategische Denkweise, die Abschreckung auf Grundlage von Realität und der Kraft des Handelns in Verbindung mit Glauben ermöglichte. Es war eine ehrliche soziale Präsenz, die eine widerstandsfähige Gemeinschaft schuf. Genau in diesem Moment erkannte der Feind die Gefahr, die von Sayyed Hassan Nasrallahs Kommando und Diskurs ausging.
Im Mai 2000 wurde mit der bedingungslosen Vertreibung der Besatzer aus dem Südlibanon das gesamte Vokabular des Feindes auf den Kopf gestellt. Von diesem Tag an wurden zwei Flaggen gehisst: die erste, die Flagge der Niederlage und des Zusammenbruchs, die auf Merkava-Panzern gehisst wurde und die zweite, die Flagge des siegreichen Widerstands die in den Städten und Dörfern des Südlibanons gehisst wurde.
Seit jenem Tag führte das arabische und islamische Erwachen zu der praktischen Realität, dass die Armee des Regimes besiegt werden kann, wenn die richtige Gleichung gegeben ist. Diese Gleichung basiert auf drei Säulen:
Erstens: Ideologischer Glaube, der den Sieg als Versprechen betrachtet, das an Ausdauer, Geduld und Opferbereitschaft geknüpft ist.
Zweitens: Nährende soziale und ökologische Struktur, die das Blut der Märtyrer mit den Tränen der Mütter und dem Schweiß der Arbeiter vermischt und so Nachbarschaften in ein wirtschaftliches, psychologisches und organisatorisches Unterstützungsnetzwerk verwandelt.
Drittens: Militärische und nachrichtendienstliche Fähigkeiten wurden von begrenzten Operationen auf ein kohärentes Raketensystem, Panzerabwehrwaffen und langfristige Kampftaktiken erweitert.
Sayyed Hassan Nasrallah war die Verkörperung dieser richtigen Gleichung und machte aus ihren drei Säulen eine Realität, die im Südlibanon begann und sich im ganzen Land ausbreitete.
Dann kam der Krieg im Juli 2006 als noch härtere Prüfung für den Feind, der dachte er könne mit einem schnellen Krieg das Image seiner Armee wiederherstellen. 33 Tage Feuer und Krieg, aber die Szene änderte sich: Fregatten fingen Feuer, Panzer wurden zerstört und an der Heimatfront herrschte Aufruhr und es gab keinen Frieden.
Dann etablierte sich das Konzept der Abschreckung: Bombenangriffe wurden mit Bombenangriffen beantwortet, Drohungen mit ähnlichen Drohungen, eine Operation nach der anderen und Grenzen, an denen weder Frieden noch Krieg herrschte ein kalter und nervenaufreibender Zermürbungskampf zwischen der Besatzungsarmee und den Siedlern, während die Achse des Widerstands in vollem Vertrauen blieb.
Und bald kam der 7. Oktober 2023, und der Al-Aqsa-Sturm machte die Berechnungen Israels zunichte und vertrieb sie aus ihrer Sicherheitszone.
Gleichzeitig eröffnete der Südlibanon seine Front mit gezielter Unterstützung, evakuierte Siedlungen und schädigte die psychische Gesundheit Zehntausender Siedler. Moderne Drohnen wurden abgeschossen und der Zielbereich bei Bedarf auf eine größere Operationstiefe erweitert. Dies war kein kurzfristiger Krieg, sondern ein langer Kampf, der dem Feind Kosten auferlegte und ihn in ständige Angst versetzte.
Am Abend des 27. September 2024 wurde bekannt, dass mitten in Beiruts Vororten 80 Tonnen US-Sprengstoffe angegriffen worden waren. Der Plan des Feindes war glasklar: Den Kopf abschlagen um den Körper zu lähmen, die Stimme verstummen lassen um das Echo zu verstummen, den Kommandanten besiegen um die Soldaten zu besiegen.
Der Staub legte sich und die Stimmen sind verstummt, sodass Sayyid Hassan Nasrallah die Ehre erlangen kann, die Gott seinen unfehlbaren Vätern und Vorfahren zuteil werden ließ, nämlich das Martyrium.
Der Angriff löschte den Widerstand in den Vororten nicht aus, sondern wurde vielmehr durch die Einheit der Bevölkerung genährt. Von Beirut bis Bagdad, von Sanaa bis Gaza und Teheran wehten Fahnen, Minarette und Glocken läuteten im Gleichklang.
Die Bilder des Generalsekretärs des Widerstands und großen Märtyrers Sayyid Hassan Nasrallah wurden nicht aufgestellt um einzelne Personen zu heiligen, sondern um den Bund zu erneuern und zu betonen, dass physische Abwesenheit nicht die Abwesenheit von Geist und Botschaft oder Verlust des Glaubens bedeutet. Auf diese Weise wurde das Leid zur praktischen Gewissheit. Die Achse des Widerstands zerfiel nicht, sondern schloss stärker zusammen und zeigte, dass Widerstand nicht von individuellem Charisma abhängt. Die Hisbollah wurde gegründet um zu bestehen solange Glaube und Überzeugung bestehen und ihr ewiges Motto lautet: „Wir stehen fest zu unserem Versprechen.“
Ein Jahr der Trauer ist vergangen, aber es war kein Jahr des Scheiterns sondern ein Jahr der Wiedergeburt. Sayyed Hassan Nasrallah verließ uns physisch, aber sein Widerstandsgeist lebt in jedem Haus weiter an dem eine Flagge gehisst ist, in jeder Hand die ein Gebäude baut und in jedem Auge das eine Grenze bewacht.
Jeder, der die Gesetze der Geschichte studiert wird verstehen, dass Revolutionen die auf wahrem Glauben aufgebaut und mit dem Blut von Märtyrern getränkt sind Mord und Terror standhalten.
Und die Erfahrungen, die wir im Laufe eines Jahrhunderts – von der Balfour-Deklaration bis zum Al-Aqsa-Sturm, von der Revolution Imam Khomeinis bis zum Martyrium Sayyid Hassan Nasrallahs – machten, zeigten alle dasselbe Ergebnis: Geschichte wird nicht durch Vereinbarungen geschrieben, sondern durch Opfer und sie wird nicht an Plänen gemessen, sondern an der Fähigkeit Glauben in die Realität umzusetzen.
Daher ist der Märtyrertod von Sayyed Hassan Nasrallah kein Ende. Die Ereignisse des vergangenen Jahres zeigten, dass die von ihm geschaffene Widerstandsatmosphäre zu stark ist um gebrochen zu werden, das von ihm gegründete Projekt zu tiefgreifend ist um zerstört zu werden und die Ehrlichkeit an der er festhielt zum Maßstab für die Ära nach ihm wurde.
Daher wird der Name Sayyid Hassan Nasrallah nicht für ein vorübergehendes historisches Ereignis stehen, sondern für eine Idee und einen Glauben, was zur Identität einer widerstandsfähigen Nation wurde.
Übersetzt in Persische von Fereshteh Seddiqi
Übertragen vom Persischen ins Deutsche von Stephan Schäfer
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